Silberband 065 - Die Altmutanten
den Mund!« fuhr der Mutant ihn an. In seinen großen Augen blitzte es gefährlich auf, und er preßte die Lippen fest zusammen. Als er den Mund nach einer Weile wieder öffnete, gab er ein erleichtertes Seufzen von sich.
»Entschuldigen Sie, Onacro«, flüsterte er. Er wollte offenbar noch etwas hinzufügen, aber dann verkrampfte sich sein Mund wieder; es schien Onacro fast so, als preßten sich die Lippen gegen seinen Willen zusammen, um ihn am Sprechen zu hindern.
»Wogegen müssen Sie ständig ankämpfen, Corello?« erkundigte sich Onacro. »Gegen sich selbst – oder gegen fremde Einflüsse?«
Diesmal blieb der Mutant völlig ruhig. Obwohl Onacro ihn scharf beobachtete, konnte er an ihm nicht die geringste verräterische Reaktion erkennen.
»Sie mögen ein genialer Biogenetiker sein, Onacro, aber ganz sicher sind Sie ein miserabler Psychologe«, entgegnete Ribald Corello ruhig. »Konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgabe. Es wäre fatal, wenn durch Ihre Unaufmerksamkeit einige Ihrer Kollegen bei der Wiedererweckung körperlichen oder geistigen Schaden erlitten.«
Ribald Corello hatte recht. Er, Onacro, durfte sich durch nichts von seiner Tätigkeit ablenken lassen. Zwar vollzog sich die eigentliche Erweckung der im Tiefschlaf befindlichen Wissenschaftler robotisch, aber er mußte die Schaltungen vornehmen, die den Vorgang auslösten, und die individuellen Weckprogramme abrufen und an jede Energiekonserve einzeln weitergeben. Das erforderte volle Konzentration.
Obwohl er versuchte, an nichts anderes als an die Erweckungsschaltung zu denken, schweiften seine Gedanken immer wieder zu Corello ab. Er spürte förmlich, wie ihn die großen Augen des Mutanten aufmerksam beobachteten, wie sie jeder Bewegung seiner Hände folgten und die Anzeigen der Armaturen registrierten. Corello entging nicht die geringste Kleinigkeit.
»Mir kommt es fast so vor, als wollten Sie mich bewachen«, sagte Onacro unbehaglich.
»Damit kommen Sie der Wahrheit ziemlich nahe«, bestätigte Corello. »Um Sie von der in Ihnen nagenden Ungewißheit zu befreien und um Kompetenzstreitigkeiten vorzubeugen, will ich Ihnen nicht vorenthalten, daß ich das Kommando über diese Station übertragen bekommen habe. Sie sind nach wie vor der wissenschaftliche Leiter, aber Sie unterstehen meinem Befehl, Onacro!«
Der Biogenetiker fragte: »Können Sie belegen, daß man Ihnen Befehlsgewalt über diese Station gegeben hat?«
Onacro hörte hinter sich ein Röcheln, als würde Corello nach Atem ringen. Dann sagte der Mutant mit krächzender Stimme: »Fragen Sie nicht – gehorchen Sie!«
Es klang nicht wie ein Befehl oder eine Drohung, sondern eher wie ein gutgemeinter Ratschlag oder eine freundschaftliche Warnung. Und wieder hatte Vauw Onacro den Eindruck, als müsse Ribald Corello in seinem Innern einen Kampf austragen. Nur glaubte er nicht mehr, daß dem Mutanten eine Bewußtseinsspaltung zu schaffen machte, sondern daß er gegen einen fremden Einfluß, gegen einen Zwang, ankämpfte.
Ribald Corello handelte wider seinen Willen – daran konnte kaum ein Zweifel bestehen.
Und Alaska Saedelaere? Er schien noch stärker im Bann des fremden Einflusses zu stehen. Aber wer, welche Macht, beherrschte die beiden Mutanten, die angeblich aus Andromeda kamen? Die Haluter?
Das war die einzig mögliche Antwort: Die Haluter hatten die beiden Mutanten hypnosuggestiv beeinflußt und dann ausgeschickt, die biologische Zuchtstation zu vernichten. Wenn das gelang, war das lemurische Volk verloren.
Vauw Onacro konnte es kaum mehr erwarten, bis die 592 Wissenschaftler erwachten, damit sie sich besprechen und etwas unternehmen konnten.
Es war ein Fehler gewesen, Vauw Onacro zu warnen. Alaska Saedelaere hatte sich dadurch eine Blöße gegeben und die Folgen sofort zu spüren bekommen. Er hatte dem lemurischen Biogenetiker in einem lichten Moment, als Corello sich voll auf Onacro konzentrierte, kaum zugerufen, daß er die Energietoten nicht erwecken solle, da war er von Ribald Corello augenblicklich mit einem starken hypnosuggestiven Zwang belegt worden.
Daraufhin war er für einige Zeit völlig hilflos und konnte nicht einmal klare Gedanken fassen. Seine Körperfunktionen gehorchten ihm nicht, und in seinem Geist war ein unentwirrbares Chaos. Er meinte wahnsinnig zu werden.
Aber das Chaos legte sich nach und nach, und Alaska fand langsam zu sich zurück. Er konnte wieder klar denken. Er erkannte seinen Fehler und schwor sich, nicht mehr so unvorsichtig zu
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