Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
Vielleicht können wir die Bordinpolizei einsetzen, ohne daß es eine offizielle Verlautbarung gibt.«
Er wußte, daß das unmöglich war. Auch seinetwegen würde man keine Ausnahme machen. Doynschto der Sanfte mußte sich genauso an die Bestimmungen halten wie alle anderen Einwohner von Nopaloor. Gerade zu einem Zeitpunkt, da sich die Übertritte häuften, mußte die Regierung peinlich darauf achten, daß durch prominente Bürger von Yaanzar keine Präzedenzfälle geschaffen wurden.
Doynschto stellte die Verbindung zur Zentrale her. Der Verantwortliche, mit dem er sprach, war ihm nicht bekannt. Er fragte nach Pergoygran, den er am besten kannte.
»Pergoygran ist zu einer privaten Reise unterwegs«, wurde ihm erklärt. »Mein Name ist Maschoyn. Ich nehme Ihre Wünsche gern entgegen.«
Der respektvolle Unterton in der Stimme des Mannes machte Doynschto zuversichtlich.
»Ich bitte um den Einsatz der Bordinpolizei. Aus meiner Klinik ist ein kranker Bordin entkommen. Er heißt Tecto und …«
»Warten Sie!« wurde er unterbrochen. Für ein paar Augenblicke verschwand das Gesicht vom Bildschirm, der Mann schien irgend etwas zu überprüfen. Als er wieder sichtbar wurde, sah er Doynschto irritiert an.
»Es liegt noch keine allgemeine Suchmeldung vor.«
»Ich weiß«, reagierte Doynschto verlegen. Dieses Gespräch war ihm peinlich. Er haßte es, wenn er mit Nichtintellektuellen in dieser Weise sprechen und verhandeln mußte. Die Oberflächlichkeit, mit der diese Männer manche Probleme betrachteten, machte ihn nervös.
»Sie müssen zunächst eine Suchmeldung aufgeben«, sagte Maschoyn. »Daraus resultiert automatisch der Einsatz der Bordinpolizei und aller anderen dafür zuständigen offiziellen Stellen.«
»Ich dachte an eine andere Regelung. Die Sache sollte nicht zu einer offiziellen Angelegenheit werden.«
»Suchen Sie einen Bordin oder nicht?«
»Natürlich!«
»Dann ist es eine offizielle Angelegenheit. Sie können natürlich auf eine Suchmeldung verzichten, aber dann wird Ihnen niemand helfen.«
Doynschto preßte beide Hände gegen den Kopf. Er hatte das Gefühl, gegen eine Wand anzurennen.
Trotzdem unternahm er noch einen Versuch. »Dieser Bordin trägt ein Ceynachgehirn.«
Die Augen des Mannes weiteten sich.
»Es ist wertvoll und unberechenbar. Ich muß es wiederhaben!« Doynschto schrie die letzten Worte fast heraus. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er bereits eine besondere Beziehung zu diesem fremden Gehirn besaß, daß er kaum erwarten konnte, wieder mit ihm in Kontakt zu treten.
»Ich begreife Ihre Aufregung«, meinte Maschoyn. »Aber Sie müssen verstehen, daß ich keine andere Wahl habe, als die Bestimmungen zu beachten.« Er fügte ironisch hinzu: »Auch Pergoygran könnte Ihnen nicht helfen.«
Doynschto starrte auf den Bildschirm, ohne den Beamten wahrzunehmen. Seine Gedanken waren woanders.
»Wollen Sie nun eine allgemeine Suchmeldung beantragen oder nicht?« erkundigte sich Maschoyn.
»Ich beantrage sie«, sagte Doynschto matt.
»Dann geben Sie mir alle Daten. Außerdem brauche ich Ihre Erklärung, daß Sie bei eventuellen Folgen nicht protestieren werden.«
»Ich erkläre, daß ich keinen Protest erheben werde.« Diese Aussage wurde in Maschoyns Dienststelle aufgezeichnet.
»Es war das Klügste, was Sie unter diesen Umständen tun konnten.« Maschoyn nickte selbstbewußt. »Bisher haben wir jedes Gehirn gefunden.«
Das war eine maßlose Übertreibung, fand Doynschto. Er wußte genau, daß allein in Nopaloor jedes Jahr ein paar tausend Gehirne verschwanden und niemals wieder auftauchten …
11.
Obwohl Tecto jahrelang in Nopaloor gelebt hatte, kannte er sich nicht in allen Bezirken der riesigen Stadt aus. Hinzu kam noch, daß den Überresten seines Gehirns die Erinnerung schwerfiel. Das Wissen der Gehirnfragmente reichte jedoch aus, um Rhodan die Orientierung zu erleichtern und sich unauffällig zu benehmen. Er hatte inzwischen einen älteren Stadtteil erreicht und war durch verwinkelte Gäßchen auf einen freien Platz gelangt. Hier war der Boden nicht mit dem überall üblichen Kunststoffbelag bedeckt, sondern bestand aus festgestampfter Erde. Im Verlauf der Jahrhunderte waren Millionen von Füßen über diesen Platz gegangen, so daß sich allmählich eine Mulde gebildet hatte. Inmitten dieses auf diese Weise entstandenen Tales befand sich ein merkwürdiges Bauwerk. Es war eine auf der Spitze stehende Pyramide mit einer dreißig Meter durchmessenden Kugel auf der
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