Silberband 090 - Gegner im Dunkel
Schritte zur Seite.
»Ich bin bereit«, entgegnete Joftblahn mit ruhiger Stimme, in der sich nichts von seinen Gefühlen spiegelte, denn nicht sie beherrschten ihn, sondern er sie. Diese Übermacht seines Willens ging so weit, dass sich seine Kraft bis ins Unterbewusstsein hinein erstreckte und nun auch das vegetative Nervensystem beeinflusste. In der Folge schütteten seine endokrinen Drüsen nur die Hormonmengen aus, die der Situation angemessen waren.
»Danke«, sagte die Frau und ging grußlos weiter. Sie stieg den Pfad hinauf und verschwand zwischen den Felsen, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen.
Joftblahn wandte sich einem Weg zu, der nach Westen durch sumpfiges Gelände führte. Aus Geysiren schossen kochende Glutmassen in die Höhe. Ein intensiver schwefeliger Geruch ging von ihnen aus.
Der Feyerdaler schritt rasch aus, ohne nach links oder rechts zu blicken, so als ginge ihn das Toben der Natur nichts an. Er zuckte noch nicht einmal zusammen, als sich neben ihm der Boden öffnete und ein armdicker Dampfstrahl fauchend hervorbrach.
Eine Warnung wehte ihm entgegen.
Joftblahn beschleunigte seine Schritte bis zu einer unbewachsenen Felskuppe. Abermals streifte ihn jener charakteristische Duft, der unendlich viel feiner war als der Geruch, den die Pflanzen, der Sumpfboden, die Geysire und das Gestein verströmten und den er doch einwandfrei herausfilterte.
Das Bild des ehrgeizigen Maltsaan entstand vor seinem inneren Auge. Er senkte den Kopf und konzentrierte sich, Sekunden später wusste er, was seinen Stellvertreter bewegte. Maltsaan wollte vor dem Kontakt mit den Fremden warnen, die den Weg zur Kaiserin von Therm suchten.
Joftblahn wedelte mit den Händen vor dem Gesicht herum, bis er nichts mehr von Maltsaans Botschaft wahrnahm. Bewusst schlug er die Warnung in den Wind. Er mochte den jungen Emporkömmling nicht. Maltsaan war ihm zu ehrgeizig. In seinem Bestreben, der Kaiserin von Therm zu gefallen, lief er Gefahr, nicht mehr objektiv zu sein.
Joftblahn rannte eine kurze Strecke, bis er die rhythmischen Schläge seiner beiden Hauptherzkammern deutlich fühlte. Er erreichte einen sehr hohen Baumriesen und setzte sich auf einen Stein. Sekunden später trat eine zierlich gebaute Frau aus einem Spalt im Baumstamm hervor. Ihre Beine waren kurz und stämmig, die geschmeidigen Arme hingegen so lang, dass sie sich mit den Händen auf den Boden hätte abstützen können, was sie jedoch nicht tat. Eine Berührung der Bodenflechten hätte das Ansehen der Sternenfamilie herabgesetzt. Seltsamerweise wurde sich Joftblahn dessen bewusst, als er sie sah, und er überlegte kurz, wer die Sternenfamilie überhaupt gewesen war. Es fiel ihm nicht mehr ein.
Ein umständliches Begrüßungszeremoniell begann, das aus Verbeugungen, genau festgelegten Schritten, Gesten und der Absonderung von Pheromonkombinationen bestand. Es war dem hohen Rang der Frau angemessen und nahm geraume Zeit in Anspruch. Danach erst wechselten Joftblahn und die Frau einige Worte miteinander. Beide hatten eine Sympathiebasis geschaffen, auf der eine echte Kommunikation möglich wurde.
»Du solltest die Warnung ernst nehmen«, sagte sie und blickte ihn offen an. Sie hatte große, ausdrucksvolle Augen.
»Maltsaan sucht seinen Weg«, erwiderte er. »Bitte haben Sie Verständnis für seine Haltung.«
Sie wandte ihm den Rücken zu.
»Verzeihen Sie«, fuhr er fort. »Es war nicht richtig, dass ich für ihn gesprochen habe.« Er sog die Luft behutsam durch die Nase ein und spürte, dass er richtig gehandelt hatte.
»Es geht nicht um Maltsaan«, erklärte die Frau. »Es geht um dein Schicksal.«
Joftblahn wartete schweigend, bis sie fortfuhr, doch er musste lange warten. Die Nervengespinste an den Seiten ihres Schädels wedelten sanft hin und her.
»Die Fremden sind dein Schicksal«, sagte sie endlich. »Du kannst ihnen ausweichen und sie Maltsaan überlassen.«
»Das hieße, ihnen den Weg nach Pröhndome zu versperren. Wollen Sie, dass ich das tue?« Damit forderte er die Frau auf, deutlicher zu werden und ihm eindeutig zu sagen, was er tun sollte. Doch das wollte sie nicht. Sie gab es ihm zu verstehen, indem sie ihm den Rücken zuwandte.
»Entscheide dich!«, befahl sie, streckte die Arme aus und zeigte auf eine Weggabelung. »Es steht dir frei, welchen Weg du gehen willst.«
»Ist es schon gewiss, wie die Wege enden?«
»Nichts ist gewiss«, antwortete sie. »Alles hängt allein von dir ab. Gehst du jenen Weg entlang, der zu den
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