Silberband 116 - Der Auserwählte
Lebewesen glühend beneiden würden? Und all das willst du achtlos wegwerfen?«
»Mag sein, dass sie mich stark schufen, intelligent und wahrscheinlich auch schön. Aber eines haben sie mir dabei genommen - die Würde.«
Samkar schwieg.
Kemoauc aß den letzten Bissen seiner Mahlzeit.
In diesem Moment stürzte der Vilthaner heran, und bevor Kemoauc oder Samkar reagieren konnten, hatte Neerad einen der Pokale erfasst, angesetzt und den ersten hastigen Schluck getan.
Kemoauc rührte sich nicht. Samkar verhielt sich ebenfalls ruhig.
Neerad trank den Pokal leer und ließ ihn fallen. Seine Augen flackerten.
»Danke«, sagte Kemoauc. Er stand auf und ging auf den Vilthaner zu. »Warum hast du das getan?«
»Du hast so viel für uns getan, Mächtiger, da musste ich einfach so handeln.«
Neerad schwankte ein wenig. Kemoauc legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Komm«, sagte der Zeitlose sanft und geleitete Neerad zur Tür. Auf der anderen Seite standen zwei Androiden.
»Bringt ihn in sein Zimmer.« Kemoauc übergab Neerad den Androiden. Der Vilthaner hatte sich gelblich verfärbt. Er schwankte.
Kemoauc schloss die Tür. Samkar stand noch immer in der Nähe des Tisches.
»Er hat den falschen Pokal erwischt«, vermutete Samkar.
»Selbstverständlich«, erwiderte Kemoauc. »Er wird sich einen handfesten Rausch einhandeln, mehr nicht.«
»Was wirst du dir einhandeln?«
Kemoauc ergriff den Pokal, der vor ihm stand.
»Ich habe ein Angebot, Kemoauc«, sagte der Stählerne.
Der Zeitlose behielt den Pokal in der Hand. »Ich höre.«
»Ich werde dich an einen Ort führen, der dir bestimmt ist, Kemoauc. Man wartet dort seit deiner Erschaffung auf dich.«
»Wo?«
»Auf der anderen Seite der Materiequelle«, sagte Samkar.
Der Pokal in Kemoaucs Hand zitterte unmerklich.
»Was erwartet mich dort?«
»Leben«, antwortete der Stählerne. »Ein Leben in Freiheit...«
»Für uns beide?« Kemoauc sah an sich hinab.
»Der Symbiont wird diese Reise nicht überstehen. Auch seine Aufgabe ist erfüllt.«
»Die andere Seite der Materiequelle ...«, murmelte Kemoauc.
Unendlich viel hatte er gewagt, um dieses Geheimnis zu klären. Konnte er jetzt darauf verzichten?
»Du kannst die Materiequelle passieren?«
»Ja«, sagte Samkar. »Das ist eine der Eigenschaften, die in mir in dieser neuen Form verwirklicht werden sollten.«
»Kann ich...«
»Es gibt von dort keine Rückkehr. Nicht für dich. Du wirst dieses U niversum nie Wiedersehen.«
Kemoaucs Lippen zuckten ein wenig.
Er hatte Zeit zum Überlegen. Auch als Zeitloser hatte er nicht die geringste Vorstellung, wie es auf der anderen Seite der Materiequelle aussah - dies zu wissen, ohne zurückkehren zu können, war ein seltsamer Gedanke. Sollte er sich darauf einlassen?
Zweifel nagten an Kemoauc. Dabei war er noch vor wenigen Augenblicken fest entschlossen gewesen.
Auch der Opfermut des Vilthaners hatte daran nichts ändern können
-im Gegenteil. Der selbstmörderische Entschluss eines Wesens, das so wenig Lebenszeit hatte wie der Vilthaner, musste dem Zeitlosen gleichsam als Herausforderung erscheinen.
»Noch Zweifel?«
»Ja«, sagte Kemoauc.
»Denk nach«, bat Samkar. »Ich dränge dich nicht.«
Wie mochte das Leben auf der anderen Seite aussehen? War dem Stählernen überhaupt zu trauen? Zwei grundverschiedene Gedanken, beide gleichermaßen quälend. War das eine Falle? Oder eine Verheißung?
»Bekomme ich drüben endlich einen Kosmokraten zu sehen?«
»Ich bin nicht gut genug informiert.« Samkar lächelte. »Vielleicht sind sie unsichtbar, was weiß ich?«
»Wie sieht es auf der anderen Seite aus?«
»Sieh selbst!«
Der Pokal wurde seltsam heiß in Kemoaucs Hand. Er fühlte, dass seine Handflächen schwitzten.
»Ich kann dir nicht viel sagen«, bemerkte Samkar nach einer qualvoll langen Pause. »Ich weiß aber eines sicher, und vielleicht hilft dir das bei deiner Entscheidung.«
Kemoauc wartete.
»Das Leben, das dich auf der anderen Seite der Materiequelle erwartet, ist, so wurde es mir wörtlich mitgegeben, ein Dasein in Würde.«
Kemoauc schluckte schwer. Langsam ließ er die Hand sinken, die den Pokal hielt, und stellte das Trinkgefäß auf dem Tisch ab.
Dann lächelte er breit. »Worauf warten wir noch?«
»Ich brauche noch ein paar Informationen von dir«, sagte Samkar. »Willst du mir berichten?«
»Du sollst alles wissen, was ich weiß. Viel ist es nicht, aber möglicherweise hilft es dir.« Kemoauc hob den Pokal doch wieder an und trank
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