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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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mit dem Klangecho ab. Ja, die Flügel hatten die richtige Form, die Schwänze, die Körper vielleicht ein bisschen groß, aber …“
    „Nein“, hauchte er enttäuscht, als er näher kam. Es waren Grauflügel mit üppigem Fell und schönen Backenbärten im Gesicht. Sogar ihre Ohren waren von grauem Fell eingerahmt und auch die Unterseite der Arme.
    „Wohin fliegt ihr beiden?“, fragte einer von ihnen.
    „Wir suchen die Kolonie der Silberflügel“, sagte Schatten. „Habt ihr sie gesehen?“
    „Wir kommen aus Nordwesten. Wir haben ein paar andere Kolonien gesehen, aber keine Silberflügel. In welche Richtung sind sie geflogen?“
    „Die Küste lang nach Süden zu einer Stadt.“
    „Dann sind sie wahrscheinlich nicht weit vor uns. Habt ihr euch verirrt?“
    „Vor zwei Nächten, in einem Sturm.“
    „Pech. Nun, ich beneide euch nicht darum, in eine Stadt zu fliegen. Das ist kein guter Ort für Fledermäuse. Hört zu, wir fliegen um die Stadt herum, aber danach fliegen wir nach Süden weiter. Ihr könnt gerne eine Weile mit uns kommen, wenn ihr wollt.“
    Er sah sie alle weiter vorn, Mütter und Väter, die zusammen mit ihren Kindern flogen und immer wieder rasch ausscherten, um im Flug Nahrung zu fangen. Er schaute zu Marina. Es war ein verführerisches Angebot, mit einer großen Gruppe zu fliegen. Vielleicht war es gar nicht so wichtig, in die Stadt hineinzukommen. Vielleicht konnten sie ihren Kurs auch halten, ohne den Turm zu finden.
    Auf einmal schwenkte der Grauflügel weg von ihnen und starrte auf Marinas Unterarm.
    „Sie ist beringt“, zischte er Schatten zu.
    „Ich weiß“, sagte er.
    „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, sagte der Grauflügel und umkreiste sie mit Abstand. „Es bringt Unglück, großes Unglück. Sie ist von Menschen berührt worden. Hat dir denn deine Mutter überhaupt nichts beigebracht? Sie wird uns alle ins Verderben stürzen.“
    „Nein“, sagte Schatten, „es ist nicht …“
    „Du kannst gerne mit uns reisen, Silberflügel – aber sie nicht.“
    Schatten starrte die Grauflügel an und auf die Kolonie in der Ferne.“
    „Wenn sie nicht mitkommen darf, komme ich auch nicht.“
    „Wie du willst. Aber ich würde mich vor ihr in Acht nehmen, wenn ich an deiner Stelle wäre.“
    Die Grauflügel schossen zu ihrer Kolonie zurück. Dann drehten sie nach einem Befehl ihres Ältesten ins Landesinnere ab vom Wasser weg und weg von ihnen. Schatten war tief enttäuscht.
    Seine Gedanken waren vorausgeeilt, hin zu seiner Mutter.
    „Tut mir Leid“, sagte Marina. „Ich habe vergessen, den Ring zuzudecken. Ich hatte gedacht, es wären deine Leute.“
    „Das macht nichts“, sagte er. „Ich verstehe es nur nicht. Warum glauben sie, die Ringe bringen Unglück?“ Er blickte auf den Silberreif um ihren Unterarm, und zum ersten Mal fühlte er sich unbehaglich. „Irgendetwas muss passiert sein, mehr als nur Geschichten.“
    „Vielleicht hättest du mit ihnen ziehen sollen“, sagte sie knapp.
    „Das meine ich nicht.“
    „Niemand hält dich auf.“
    „Ich will nicht …“
    „Du glaubst wohl, ich brauche deine Gesellschaft? Ich bin daran gewöhnt allein zu leben. Ich brauche dich nicht oder deine Kolonie, Schatten.“ Mit harten Augen starrte sie ihn an, dann wandte sie den Blick ab. „Ich bin … ach, vergiss es.“
    „Vielleicht gibt es verschiedene Arten von Ringen“, sagte Schatten. „Gute und schlechte.“ Er hatte Kopfschmerzen und ein flaues Gefühl im Magen. „Ich weiß es nicht.“
    „Und was für einen habe ich? Wahrscheinlich werde ich’s erst wissen, wenn ich plötzlich in Flammen stehe.“
    Besorgt starrte Schatten sie an. Dann mussten sie beide lachen, lang und laut, bis er spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten. Trotzdem konnte er sein Unbehagen nicht abschütteln. Wenn sie doch nur seine Kolonie erreichen und ein paar Antworten auf seine Fragen bekommen könnten.
    „Tut mir Leid, dass es nicht deine Kolonie war“, sagte Marina.
    „Ja.“
    „Wir holen auf. Mit dieser Karte von dir schaffen wir das schon.“
    Schatten lächelte dankbar. Vor ihnen am Horizont konnte er eine gespenstische Aufhellung erkennen, als ob die Sonne bald aufgehen würde. Nur dass er wusste, dass es nicht die Sonne war.
    „Da drunten ist die Stadt“, sagte Marina.

2. Teil

– 8 –
Goth
    Heute Abend würde er frei sein.
    Goth hing von einem elastischen Ast in dem künstlichen Dschungel herab. Es war heiß hier, aber die Hitze kam nicht von der brennenden

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