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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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er wild die Luft peitschte, dass die Flügel nur noch verwischt zu sehen waren, fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig Schläge pro Sekunde, sein Herzschlag genauso schnell.
    Und er stieg auf in den Schacht, wie ein finsterer Engel aus der Unterwelt, höher und höher, mit angestrengt knirschenden Zähnen und Speichelbläschen in den Mundwinkeln. Er hörte nur noch das vulkanische Getöse seines Herzens. Er glaubte, seine Flügel würden brechen, da öffnete sich der Schacht in einen horizontalen Tunnel. Nach Luft ringend fiel er auf die metallene Oberfläche.
    Keine Zeit auszuruhen. Er drehte das Gesicht in den Wind und kroch schnell weiter, ohne darauf zu warten, dass Throbb nachkam. Der Lufzug war hier stärker und er bemühte sich, die vertrauten Düfte des Dschungels wahrzunehmen, aber es gelang ihm nicht. Macht nichts, er hatte es fast geschafft.
    Da war ein Geräusch, ein schnelles, entschiedenes Schlagen, das immer lauter wurde.
    Tschomp, tschomp, tschomp, TSCHOMP, TSCHOMP.
    Er kam um eine Ecke und ein heftiger Luftstrom blies ihm entgegen, sodass er die Augen zukneifen musste. Am Ende des Tunnels befand sich hinter einem Maschendraht ein großes, sich drehendes Flügelblatt.
    „Was ist das?“, fragte Throbb, der eilig hinter ihm herkam.
    „Denkst du, ich weiß alles über die Menschen? Es ist irgendeine Falle, um uns drinnenzuhalten.“
    „Es wird uns in Stücke schneiden.“
    Goth achtete nicht auf ihn. Hinter dem Blatt war die Nacht. Er konnte sie riechen. Zotz würde nicht zulassen, dass er eine Niederlage einstecken musste. Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf das sich drehende Blatt und hörte genau zu. Der Maschendraht war nicht sehr fein, mit angelegten Flügeln konnten sie da durch. Aber das Flügelblatt …
    Es drehte sich im Kreise am Ende des quadratischen Tunnels und ließ dabei in den vier Ecken einen kleinen mondförmigen Freiraum. Rasch maß Goth im Geiste die Entfernungen ab.
    „Zwäng dich da durch“, sagte er zu Throbb.
    „Was?“
    „In einer der unteren Ecken kannst du dich durchzwängen. Das Blatt kann dich da nicht treffen.“
    Er war sich dessen nicht ganz sicher. Das war einer der Gründe, weswegen er wollte, dass Throbb es als Erster versuchte.
    „Vielleicht gibt es einen anderen Weg nach draußen“, sagte Throbb. „Der andere Tunnel …“
    Goth bleckte Throbb die blanken Zähne ins Gesicht.
    „Du tust, was ich dir sage“, zischte er.
    Langsam kroch Throbb den Tunnel entlang. Mit fest an den Körper gepressten Flügeln näherte er sich dem Maschendraht. Er drückte sich zur Hälfte durch, dann hielt er plötzlich an und starrte wie hypnotisiert auf das rotierende Flügelblatt.
    Tschomp, tschomp, tschomp …
    „Es ist zu schnell“, rief er über die Schulter zurück. „Es wird mich ansaugen.“
    Tschomp, tschomp, tschomp …
    „Mach schon!“
    „Ich kann nicht.“
    Goth sprang vor und biss Throbb in den Schwanz. Aufjaulend warf sich der nach vorn. Goth hörte, wie das gewaltige Flügelblatt schnell die Luft durchschnitt. Throbb schrie entsetzt auf, als die Spitze an ihm vorbeirauschte und ein Stückchen Fell von seiner Schulter abrasierte. Aber er war durch.
    Goths Herz tat einen Sprung. Er eilte vorwärts, zwängte sich durch den Maschendraht und presste alle Luft aus den Lungen. Das Flügelblatt war so schnell, dass es Luftwirbel erzeugte. Er stemmte sich gegen den Sog, beobachtete den Flügel mit dem Klang-Sehen.
    Tschomp …
    Die Bewegung des Rotors war wie ein Donnerschlag und blendete ihn auf einem Ohr.
    Aber er hatte es unversehrt geschafft durchzukommen.
    Plötzlich war er draußen.
    Er gab die Flügel frei und erhob sich in die Nachtluft.
    „Frei!“, brüllte er triumphierend, aber der Schrei blieb ihm in der Kehle stecken.
    Wo war der Dschungel?
    Eine Milchstraße heller Lichter breitete sich blendend vor ihm aus, steile Schluchten und tiefe leuchtende Flüsse von Tönen. Gewaltige Haufen aus Stein und Licht türmten sich überall um ihn herum. Goth kurvte in engen Kreisen und wusste nicht, wo er war. Er hatte erwartet, dass ihn der Dschungel begrüßen würde, die vertrauten Bilder und Gerüche des Regenwaldes, der Schrei seiner Fledermausgeschwister.
    Aber diese Landschaft war ihm völlig fremd. Der Lärm von unten war fast überwältigend und bewirkte, dass sich sein Klang-Sehen verwischte und flackerte. Alles, was er ausmachen konnte, war ein Nebel von Bewegungen.
    Er zitterte heftig und erst jetzt merkte er, wie bitterkalt es war. Der Dschungel

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