Silberflügel: Roman (German Edition)
brauchen sie“, sagte er knapp. „Wir waren keine zwei Stunden aus der Stadt heraus, als wir von dieser Eule erwischt wurden. Glaubst du, wir könnten es alleine schaffen?“
Marina schwieg.
„Ich möchte auch wissen, was es alles bedeutet.“ Er ignorierte ihr ungläubiges Schnauben. „Wirklich! Aber lass uns doch erst meine Kolonie einholen, und dann können wir mit Frieda reden und den anderen beringten Fledermäusen und vielleicht bekommen wir weitere Antworten.“
„Du bist ziemlich beeindruckt von diesen beiden, oder?“
Sie hatte ihn ertappt. „Nun …“
„So groß, wie du immer sein wolltest?“ Ihre Stimme hatte einen spöttischen Unterton.
„Vielleicht“, sagte er mit brennendem Gesicht. „Na und?“
„Ich wünschte, du hättest ihnen nicht angeboten sich uns anzuschließen.“
„Hör zu“, sagte er. „Mit ihnen sind wir sicher. Und was ist, wenn es einen Krieg gibt? Wenn es das ist, was Nocturna gemeint hat? Sogar mein Vater hat gesagt, wir müssten auf etwas warten, bevor wir frei wären. Vielleicht ist es das.“
„Wie meinst du das?“
„Goth und Throbb. Es gibt mehr wie sie im Dschungel, nicht wahr? Vielleicht können wir sie überzeugen, sich uns anzuschließen. Eine große Armee bilden.“ Sein Herz klopfte wild vor Aufregung. „Du hast gesehen, auf welche Weise Goth die Eule getötet hat. Es war ein Kinderspiel für ihn. Ich meine, schau sie dir doch an, sie sind die geborenen Krieger. Wenn wir ihre Hilfe hätten, dann könnten wir ein für alle Mal gegen die anderen kämpfen, gegen all die Tauben und Eulen und alles andere. Gegen jeden, der uns in der Verbannung halten will. Und ich weiß – wir könnten sie schlagen.“
– 13 –
Finstere Bundesgenossen
Goth riss noch ein Stück aus seinem Eichhörnchen und kaute es gedankenverloren. Er schaute zum Himmel hoch. Dies war die zweite Nacht, die er mit Schatten und Marina zusammen war, und allmählich erkannte er ein paar von diesen Sternen wieder. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er in der Lage war, allein den Kurs zu bestimmen, und dann könnte er aus den beiden kleinen Fledermäusen eine schnelle Mahlzeit machen.
Sie waren allerdings auch auf andere Weise nützlich. Er war nicht vertraut mit den Bäumen hier. Einige hatten dünne blattlose Äste, andere hatten scharfe stechende Nadeln. Letzte Nacht hatte Marina in der verlassenen Höhle eines Spechts einen Ruheplatz für sie gefunden. Und Schatten hatte ihm gezeigt, wie man aus dem Bach trinkt, indem man das gefrorene Wasser durchbrach. Er nannte es Eis. Eis. Niemals hatte er so etwas Grauen erregendes gesehen. Es tat weh, als er es berührte, und es war ein Schock, als die Kälte in seinen Körper einsickerte. Er schüttelte die Flügel und legte sie dichter um sich herum. Aber der Wind drang trotzdem durch. Je eher er sich aus dieser nördlichen Wüstenei befreien konnte, desto besser.
Throbb landete neben ihm mit einem Sperling im Maul.
„Ich möchte Fledermausfleisch“, jammerte er.
„Noch nicht“, knurrte Goth. „Warte noch. Du wirst noch früh genug Fledermausfleisch bekommen. Ein bisschen Selbstdisziplin! Und denke daran“, fügte er drohend hinzu und blickte Throbb dabei direkt in die Augen, „auch ich mag Fledermausfleisch.“
Throbb rückte ein paar Zentimeter weg und verzehrte lustlos seinen Sperling. „Wer ist diese Nocturna, von der sie dauernd reden?“
Goth benutzte eine Klaue, um einen Fleischrest zwischen den Zähnen herauszupicken. „Irgendeine armselige kleine Religion, nehme ich an.“ Schatten hatte ihm alles erzählt, von der Schlacht zwischen Vögeln und Vierfüßlern, der Verbannung und diesem wunderbaren Großen Versprechen. Es war alles einfach lächerlich, aber er hatte nichts gesagt und über Zotz, den einzigen wahren Fledermausgott, erst einmal geschwiegen.
„Selbst wenn Nocturna wirklich existiert“, sagte er verächtlich, „kann sie nicht sehr mächtig sein – schau dir nur die mickrigen Kreaturen an, über die sie herrscht.“
Throbb lachte stoßweise und spuckte gleichzeitig einige Knorpel und Knochen aus.
Es waren wirklich bemitleidenswerte Geschöpfe, dachte Goth. Sie konnten sich nicht einmal gegen Tauben zur Wehr setzen. Die Eulen, musste er zugeben, waren ein etwas mächtigerer Gegner – mit mehr als zweien gleichzeitig zu kämpfen wäre eine Herausforderung. Trotzdem, diese Fledermäuse lebten in ständiger Angst vor ihnen, trauten sich nicht, tagsüber ihre Gesichter zu zeigen, und jetzt nach
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