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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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auf James’ Hand.
    Ich vermisste Stummfilme. Die Musik war viel tragender gewesen, wie ein Klanggemälde, das die Gefühle transportierte und ein wenig überhöhte. Wenn man in den Augen der Darsteller zu lesen verstand, war es ein Leichtes gewesen, im Kopf eigene Dialoge zu entwickeln. Eigentlich hatte ich mir vor allem das Publikum angesehen, wenn ich mit meinem Ritter eine Filmvorführung besuchte. Wenn das Licht den Gesichterwald sprenkelte, hatte ich sehen können, wie die Zuschauer in ihren Herzen ihre eigene Geschichte aus ein und denselben Bildern kreierten. Es war eine Schande, wie die heutigen Filme ihre Handlung mit Musik erdrückten und jede Sekunde mit Geräuschen und Worten überluden. Der Vorstellungskraft blieb wenig überlassen.
    James rutschte angesichts des Stöhnens unangenehm berührt auf seinem Sitz herum. Libby flüsterte Mitch etwas ins Ohr, und als sie sich zurück zur Leinwand drehte, sah er sie lange an.
     
    Bei der Abfahrt kurbelte Libby das Fenster herunter und winkte. »Ruf mich mal an!«, rief sie. Sie grinste breit, ihre weißen Babyzähnchen leuchteten in der Dunkelheit, und ihre schwarzen Locken hüpften.
    Mitch sah ihr mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck hinterher.
    »Diese Libby ist schon ganz schön heftig«, sagte James, als wir neben dem rostigen Auto standen.
    »Und wie.« Mitch drehte sich ungeduldig zur Seite »Warum hast du dich verdammt noch mal versteckt, als wir vorhin angehalten wurden?«
    »Das habe ich doch gar nicht«, erwiderte James.
    »Du bist echt ein sauschlechter Lügner«, sagte sein Bruder. »Spiel bloß nie Poker.«
    Wir fuhren zurück zur Amelia Street. Ich saß auf dem Rücksitz, James ließ seinen Arm aus dem Fenster hängen.
    »Danke«, sagte er schließlich.
    »Wofür?«
    »Dass du mich zum Essen eingeladen hast und so.«
    »Wenn ich dir dann noch diesen tollen Job beschafft habe, kannst du dich ja revanchieren.«
    »Okay.«
    Schweigen.
    »Also, was hat Libby gemacht, dass du auf die Gegenspur geraten bist?«, fragte James.
    »Kein Wort mehr von ihr«, knurrte Mitch.
    James lachte.
    Ich folgte ihnen ins Haus. Mitch ging zügig ins Bett, und ich setzte mich an James’ Schreibtisch. Zwischen den Monstercomics hing ein neues Bild, ganz anders als die zähnefletschenden Kreaturen: eine zarte Bleistiftzeichnung von einem Augenpaar. Brennende Freude machte sich in mir breit, als ich erkannte, wer dafür Vorbild gestanden hatte. James nahm ein weißes Unterhemd und Shorts mit ins Badezimmer und kam umgezogen wieder herein. Er setzte sich aufs Bett.
    »Du hast also letzte Nacht geschlafen«, bemerkte er.
    »Ja.«
    Er legte sich auf die Bettdecke, nah an die Wand, um mir Platz zu lassen. Ich setzte mich zu ihm.
    »Hattest du eine Frau in deinem alten Leben?« Ich versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu klingen.
    Er zögerte. »Ich glaube nicht.« Dann fragte er: »Hattest du eine wahre, große Liebe?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Nur einen Ehemann.«
    »Das tut mir leid.« Er fragte nicht nach den Einzelheiten, und ich hätte ihm auch nicht viel sagen können.
    »Ich frage mich, warum du nicht alle Erinnerungen zurückbekommen hast, als du in Billys Körper gelangt bist.«
    »Vielleicht dauert es einfach noch ein bisschen.«
    Ich wusste, dass ich mich nicht an alles erinnern wollte. »Was war das Erste, das zu dir zurückgekommen ist?«
    Er lächelte. »Dass das Astloch in unserer Verandatreppe wie ein Katzenauge aussah.«
    »Ich glaube nicht, dass ich weiß, wie man einen Körper in Besitz nehmen kann«, gestand ich ihm. Dennoch war meine Sehnsucht, James endlich zu spüren, hitzig wie ein Vollmondfieber.
    »Morgen suchen wir nach jemandem, der gerettet werden muss«, sagte er ruhig.
    Ich lehnte mich zurück und sah ihn an.
    »Du wirst es lieben«, versicherte er mir. »Wenn du erst in eine fleischliche Hülle geschlüpft bist, wirst du das Gras wieder riechen können. Und Wasser trinken. Du kannst einen Stein packen und ihn werfen. Alles wird gut werden.«
    Er klang so sicher, ich musste ihm einfach glauben. Meine Hand strich durch ihn hindurch, von seiner Hüfte bis zu seinem Herzen. Sie kribbelte. Er schnappte nach Luft, und seine Augen weiteten sich vor Überraschung.
    »Es tut mir leid«, sagte ich, besorgt, dass ich sein Herz zum Stehen gebracht haben könnte. Dann sah ich, wie er nach seinen Shorts griff und wie sich die darunter abzeichnende Härte gegen den Stoff presste. Sein Gesicht war gerötet. Ich flüchtete in die Ecke des Raumes.
    »Es

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