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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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langen, beinahe feminin wirkenden Wimpern. Auch einen breiten Mund hatte er, einen allzu breiten, und darin war keine Verweichlichung auszumachen, ebenso wenig wie in den Konturen seines bartlosen Kinns.
    Er lächelte, ganz und gar nicht spöttisch. Und sie wurde gewahr, dass er sie von dort, wo er kniete, ebenfalls im Mondlicht sehen konnte.
    »Also –« setzte sie an. »Narren«, begann Diarmuid dan Ailell. »Alle haben sie mir davon berichtet, wie schön Ihr wäret. Auf sechzehn verschiedene Arten haben sie es beschrieben.«
    »Und?« Sie erstarrte, und ihr Zorn war, einer Peitsche gleich, zum Schlag bereit.
    »Und das seid Ihr auch, bei Lisens Augen. Aber niemand hat mir berichtet, dass Ihr auch mit Geist gesegnet seid. Ich hätte es wissen müssen. Shalhassans Erbin muss einfach über Scharfsinn verfügen.«
    Darauf war sie völlig unvorbereitet. Das hatte ihr noch nie jemand gesagt. Fassungslos gedachte sie flüchtig all der Venassars, mit denen sie so spielend fertig geworden war.
    »Vergebt mir«, bat dieser Mann und erhob sich, um ganz nahe bei ihr zu stehen. »Ich wusste es nicht. Ich erwartete, es mit einer sehr jungen Frau zu tun zu haben – und das seid Ihr nicht, nicht in den entscheidenden Punkten. Gehen wir etwas spazieren? Zeigt Ihr mir Eure Gärten?«
    Und so fand sie sich neben ihm, im nördlichen Abschnitt des Rundwegs, und es erschien ihr dumm und kindisch, zu protestieren, als er ihren Arm nahm. Eine Frage drängte sich ihr jedoch auf, während sie durch die duftende Dunkelheit schritten, umgeben von den Lienae, die um sie herum schwebten.
    »Wenn Ihr mich für so einfältig gehalten habt, wie konntet Ihr mir dann solche Briefe schreiben, wie Ihr es tatet?« fragte sie und spürte, wie ihr Herzschlag sich wieder beruhigte, als sie ob seines Schweigens ein gewisses Maß an Selbstkontrolle zurückgewann. So einfach geht es nicht, mein Freund, dachte sie.
    »Ich bin«, gestand Diarmuid ganz gelassen, »angesichts von großer Schönheit immer etwas hilflos. Nachricht von der Euren erreichte mich bereits vor einiger Zeit. Ihr habt mehr zu bieten, als man mir von Euch berichtete.«
    Eine ganz geschickte Antwort, für einen aus dem Norden. Selbst dem glattzüngigen Galienth hatte sie vielleicht gefallen. Aber sie lag durchaus innerhalb ihres Erfahrungsbereichs. Deshalb fühlte Sharra sich jetzt sicher, auch wenn der Mann neben ihr in den Schatten verwirrend gut aussah, und seine Finger auf ihrem Arm sich immer wieder leicht bewegten, einmal sogar ihre Brust streiften. Falls sie einen Anfing von Enttäuschung empfand, ein neuerliches Abwärtsgleiten des Falken Ihrer Träum, dann schenkte sie ihm jedenfalls keine Beachtung.
    »T’Varen hat Larai Rigal zur Zeit meines Urgroßvaters Thallason angelegt, dessen zu gedenken ihr im Norden allen Grund habt. Die Gärten erstreckten sich über viele Meilen, sind vollständig von Mauern umgeben, einschließlich des Sees, der …« Und so fuhr sie mit ihrer Schilderung fort, wie sie es für all die Venassars getan hatte, und obwohl es jetzt Nacht war und der Mann neben ihr die Hand auf ihren Arm gelegt hatte, unterschied sich das Ganze doch nicht so sehr von den anderen Malen. Vielleicht küsse ich ihn, dachte sie. Auf die Wange, zum Abschied.
    An der Faille-Brücke hatten sie den Querpfad genommen und wandten sich nun wieder nordwärts. Der Mond stand hoch über den Bäumen, droben an einem Himmel, der von windgetriebenen Wolken durchzogen wurde. Die Brise vom See her war angenehm und nicht zu kühl. Sie erzählte immer noch munter weiter, war sich jedoch zunehmend seines Schweigens bewusst. Des Schweigens und der Hand auf ihrem Arm, die fester zugegriffen hatte und ein weiteres Mal ihre Brust streifte, als sie an einem der Wasserfälle vorbeikamen.
    »Es gibt für jede der neun Provinzen eine Brücke«, sagte sie, »und die Blumen in jedem Teil des –«
    »Genug«, unterbrach Diarmuid sie schroff. Sie erstarrte mitten im Satz. Er hielt mitten auf dem Pfad an, drehte sich nach ihr um. Hinter ihr stand ein Calath-Busch. Dort hatte sie sich als Kind beim Spielen versteckt.
    Er hatte ihren Arm losgelassen, als er sprach. Nun wandte er sich nach einem langen, kühlen. Blick wieder von ihr ab und setzte seinen Weg fort. Sie beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten.
    Als er wieder das Wort an sie richtete, starrte er dabei vor sich hin, und seine Stimme war leise und eindringlich. »Ihr sprecht kaum wie ein Mensch. Wenn Ihr bei den unbedeutenden Fürstensöhnchen,

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