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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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that you go away… «
    Sie stützte sich auf den Arm und starrte mich an, fragend und verzweifelt. Ich schüttelte langsam den Kopf.
    »/ will never go away«, sagte ich leise.
    Sie wandte sich ab und wälzte sich auf die Seite. Ich ließ meinen Arm unter ihren Kopf gleiten, zog ihn an mich. Zuerst war sie ganz verkrampft, weil sie nicht wußte, was sie von mir denken sollte.
    Vielleicht auch, weil ich schon ein Teil von Ken war und sie noch zu ihm gehören wollte. Doch ich streichelte sie immer wieder und fühlte allmählich, wie sie sich entspannte. Ich legte mein Gesicht an ihren schmalen Hals. Sie lag jetzt ganz still; ihre Atemzüge gingen tief und regelmäßig. Mit ihrer plötzlichen 485
    Trägheit wurde auch ihr Körper anders, weich und nachgiebig. Es war plötzlich wie ein Band zwischen uns, ein Einverständnis, das nicht ausgesprochen wurde.
    Ihre glühende Wange schmiegte sich an mein Gesicht, meine Hand lag auf ihrer linken Brust. Ich fühlte die kleine Schwellung der Brustwarze und darunter ihr pochendes Herz. Sanft, als bewege ich mich im Schlaf, ließ ich meinen Mund über ihr nasses Gesicht wandern, über ihre Wangen, über ihre Nasenflügel. Sie ließ das alles geschehen, mit unbewegtem Gesicht und zitternden Wimpern. Mein Mund berührte ihre aufgesprungenen Lippen – da schloß sie die Augen, antwortete mit einem leichten Druck. Ihre Lippen waren heiß und sanft und schmeckten nach Zahnpasta. Mir wurde plötzlich sehr warm. Ich fühlte den Druck ihrer kleinen Brüste auf meiner Haut und atmete wieder den frischen, von Lavendel durchsetzten Geruch ihres Haares ein. Doch ganz plötzlich spürte ich, wie Mitsue zusammenzuckte. Sie stieß mich weg, rollte sich auf die Seite. Ich hörte die Haustür aufgehen, wieder ins Schloß fallen, hörte im Wohnzimmer Kens rasche Schritte. Mein Herz pochte wie ein Hammer, als ich seinen Schatten hinter der Schiebetür sah; und dann stand er schon da in seinem weißen Trainingsanzug, schaute mit ausdrucksloser Miene auf uns herunter. Nach einer Weile hob ein tiefer Atemzug seine Brust. Er richtete die Augen auf Mitsue, noch immer ausdruckslos, sprach einige Worte zu ihr. Seine Stimme klang gelassen: Er stellte nur eine Frage.
    Sie erstarrte, schüttelte heftig den Kopf. Ihr Gesicht war blaß geworden, sie zitterte am ganzen Körper. Ken trat näher an den Futon heran und setzte sich, die Arme über die Knie gefaltet. Wieder sagte er etwas, aber Mitsue hielt die Lippen hartnäckig geschlossen. Er verzog leicht die Brauen; sein Blick glitt an ihr vorbei und richtete sich auf mich. Ich hatte das Gefühl, zu träumen, mit offenen Augen zu träumen. Während er sprach, tat Mitsue plötzlich etwas Unerwartetes: Sie drehte ihm den Rücken zu, barg das Gesicht an meiner Schulter. Ihr Haar streifte meine Wange. Wieder entstand ein längeres Schweigen. Ich fühlte Mitsues warmen Hauch, ihren Lavendelduft; ein leichter Schauer überzog meine Haut. Ken blickte uns an; kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Schließlich brach ich die lastende Stille.
    »Ken… sie ist sehr unglücklich. Darum ist sie gekommen.«
    »Ich weiß«, antwortete er in gedämpftem Tonfall.
    Ich merkte, daß er sich mit dieser Situation abfand, sie nüchtern erwog. Seine Augen ließen nicht von mir ab, auch als er erneut zu Mitsue sprach. Ich verstand nicht, was er sagte, obwohl ich ihn eigentlich hätte verstehen müssen. Die Worte waren behutsam, freundlich gesprochen: Sie mußten gleichwohl sehr deutlich gewesen sein. Sie hob ruckartig den Kopf; ihre Augen flackerten verstört. Sie lauschte plötzlich, nicht auf seine Worte, sondern auf sich selbst, auf den wilden Schmerz, der sie erfüllte. Neunzehn Jahre. Ihr Gesicht und ihr Körper hatten noch keine Zeichen empfangen, keinen Makel. Sie hatte geglaubt, das Leben käme zu ihr ganz von selbst, mit dem Glanz der Liebe und der Süße der Erfüllung; daß sie 486
    es nur lächelnd herbeizurufen brauchte. Vielleicht würde ich eines Tages erfahren, wie eifersüchtig sie war – wie eifersüchtig sie wirklich war. Jetzt schien sie nicht einmal böse zu sein.
    Nach ein paar Atemzügen sagte er dumpf:
    »Sie sollte jetzt lieber gehen…«
    »Ken, hab Geduld mit ihr!« Ich flüsterte wie jemand, der im Schlaf spricht und seine eigene Stimme nicht hört. »Nimm sie ein letztes Mal in die Arme. Es tut ihr so weh, nur darum. Sie hat niemanden, der ihr helfen kann. Das müßtest du doch verstehen, gerade du.«
    Er antwortete nicht. Er hielt seine Augen auf

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