Silbernes Band (German Edition)
wer seine Opfer sind, kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, deshalb wäre es gut, wenn wir ihn bitten, nicht mehr in Island zu jagen. Auf diese Weise gelingt es mir vielleicht, damit klarzukommen.“ – „Du bist aussergewöhnlich, Rúna. Wie kannst du soviel Verständnis aufbringen?“ – „Ich liebe dich. Deshalb kann ich nicht verlangen, dass du dich von deinem Vater abwendest.“ – „Aber du kannst verlangen, dass Fionn in Zukunft Rücksicht auf dich nimmt. Ich sorge dafür. Du sollst nicht mehr als notwendig darunter leiden müssen, was wir sind.“
Sie schmiegte sich in seinen Arm und versuchte wieder zur Ruhe zu kommen. Wirbelnde Gedanken hinderten sie daran, in den Schlaf zurückzufinden. „Diese Kluft in unserer Beziehung wird immer bestehen, sie lässt sich nicht so leicht überbrücken. Wir müssen wohl oder übel damit leben.“ Ihre nüchterne Erkenntnis löste eine dunkle Angst in ihm aus. Angst, sie zu verlieren.
Heiðar suchte gleich am nächsten Tag das Gespräch mit seinem Vater: „Rúna leidet sehr darunter, dass du Menschen tötest. Sie hatte letzte Nacht einen schrecklichen Alptraum. Ich verlange von dir, dass du nicht mehr in Island jagst.“ – „Du weisst, dass du keinerlei Recht hast, so etwas von mir zu fordern?“ – „Spielst du auf diese blöde Respektgeschichte an? Ich pfeife darauf. Rúna ist bereit, sich mit deinem Jagdverhalten auseinanderzusetzen. Und sie will nicht, dass ich mich von dir abwende. Dafür müsstest du ihr einigen Respekt zollen. Normal wäre, wenn sie schreiend das Weite sucht.“ – „Ich anerkenne durchaus ihre Bemühungen um Verständnis. Da mir euer Glück am Herzen liegt, verzichte ich freiwillig darauf, in Island zu jagen. Ich habe vor, für längere Zeit hier zu bleiben, in Anbetracht dessen ist es in jedem Fall klüger, nicht zuviel Aufmerksamkeit zu erzeugen.“ Heiðar war zufrieden. „Sehr schön, ich nehme dich beim Wort. Du solltest in den nächsten Tagen nicht vorbeikommen, wenn Rúna bei mir ist. Ich möchte, dass sie sich erst wieder etwas beruhigen kann.“ – „Selbstverständlich. Es ist nicht gut, wenn sie ständig von mir träumt.“ Fionn schickte seiner Antwort ein süffisantes Lächeln hinterher.
Zu schnell für mein Herz
Ein paar Tage später spazierten Rúna und Heiðar Hand in Hand durch den kleinen Wald auf dem Öskjuhlið. Er räusperte sich leise. „Könntest du dir vorstellen, bei mir einzuziehen? Ich fände es wunderbar, jeden Morgen an deiner Seite aufzuwachen.“ Rúna brauchte einen Moment. Sie blickte angestrengt zwischen die kleingewachsenen Tannen, Birken und Ebereschen, als versuchte sie ein seltenes Tier zu entdecken. Ihr Schweigen dauerte viel zu lange, er hatte diese Frage viel zu früh gestellt. „Ich weiss nicht... Wir sind erst seit Kurzem zusammen. Ich... Es ist soviel passiert in den letzten Wochen...“ Sie blickte vorsichtig zu ihm hoch. Er machte sich nicht die Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. „Entschuldige. Ich hätte dich nicht fragen sollen. Natürlich ist es noch zu früh.“ – „Versteh mich nicht falsch, Heiðar. Ich liebe dich. Aber ich fürchte mich davor, schon alles so festzumachen. Als ich das letzte Mal von einer gemeinsamen Zukunft träumte, wurde ich bitter enttäuscht. Es fällt mir schwer, mich darauf einzulassen.“
Seine Miene wurde düster. „Ich bin nicht so wie dieser Thomas. Auch wenn ich bisher keine feste Beziehung wollte. Mit dir ist alles anders, das musst du mir glauben. Es gibt nur noch dich, Rúna.“ Sie blickte vor sich auf den kiesbestreuten Weg, kickte einen Stein weg. „Genau davor habe ich Angst. Vor dieser Endgültigkeit. Mein Verstand tritt automatisch auf die Bremse, während mein Herz vorausrennt, um mit dir mithalten zu können. Ich kann dich nicht einholen – noch nicht. Du bist zu schnell für mein Herz.“
Der schützende Wald war zu Ende. Sie gingen eine Weile schweigend weiter und schlugen den Weg zum Strand ein. „Es ist schade, dass du Angst hast vor meinen Gefühlen. Ich kann nicht ändern, was ich für dich empfinde, aber ich versuche Geduld zu haben. Bestimmt traust du dich eines Tages, den Fuss von der Bremse zu nehmen.“ Er zog sie sachte an sich und küsste ihr windzerzaustes Haar.
Fionn setzte Heiðars Wunsch noch einen obendrauf, als er ihnen zwei Tage später folgende Ankündigung machte: „Ich habe ein Haus an der Sólvallagata gekauft. Zurzeit lasse ich Pläne erstellen für die
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