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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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aussah. Rúna war überzeugt gewesen, dass sie einander schon finden würden.

    Heiðar wusste längst, welche der drei Passagiere er abholen musste. Er roch Wollgras, Flieder und Frühlingssonne, ergänzt durch eiskaltes Gletscherwasser und frische Sahne. Auch wenn er sich nicht auf seine Nase verlassen könnte, hätte er zumindest ihre Mutter sogleich erkannt, Rúna war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Der stattliche blonde Mann mit dem sorgfältig gestutzten Bart und den freundlichen blau-grauen Augen musste Pétur sein. Ihnen folgte ein hübscher Teenager. Gæfas glattes Haar war von einem hellen Blond. Sie geriet eindeutig nach dem Vater und war etwas kräftiger gebaut als Rúna.

    „Hæ, ich bin Heiðar. Ihr müsst Rúnas Familie sein.“ Ulrike staunte. Vor ihnen stand ein unheimlich attraktiver junger Mann. Dunkles, gelocktes Haar, ein freundliches Lächeln und erst diese Augen! „Hallo Ulrike. Freut mich, dich kennenzulernen.“ Heiðar reichte ihr höflich die Hand und liess dabei das umwerfende Lächeln angeknipst. „Oh, du hast uns gleich erkannt! Hat Rúna dir beschrieben, wie wir aussehen?“ Ulrike sprach mit entzückendem Akzent und hob zum Satzende ihre Stimme, wie das bei Fragesätzen im Deutschen üblich war. „Mir war gleich klar, dass du Rúnas Mutter sein musst. Sie hat ihre Schönheit eindeutig von dir geerbt.“ Ulrike wurde rot wie ein Schulmädchen. „Was für ein charmanter Kerl!“

    Pétur fand das Süssholzgeraspel nicht besonders lustig, trat deshalb stirnrunzelnd dazwischen und streckte demonstrativ die Hand aus: „Hallo Heiðar. Ich bin Pétur. Danke fürs Abholen.“ Sie tauschten einen kräftigen Händedruck. Heiðar bemerkte ein weiteres Geruchsfragment an Rúnas Vater, das er auf Distanz nicht wahrgenommen hatte. Pétur roch ein kleines Bisschen nach Hund - und er trug ein seltsames Funkeln im Auge. Nun blieb aber keine Zeit, diese Besonderheiten genauer zu analysieren, er musste erst Rúnas Schwester begrüssen: „Hæ, Gæfa. Schön, dass du uns besuchst.“ Sie verzog leicht das Gesicht, als er ihre Hand drückte und dabei unverschämt grinste. Ob Rúna ihren spiessigen Lehrer gegen diesen heissen Typen eingetauscht hatte?

    „Darf ich?“ Heiðar nahm Ulrike und Gæfa das Gepäck ab und ging ihnen zum Parkplatz voraus, wo er auf einen blauen VW Tiguan zuging. „Bitte.“ Er öffnete galant alle Türen, damit sie einsteigen konnten, dann verstaute er rasch das Gepäck im Kofferraum, bevor er sich ans Steuer setzte und zügig losfuhr. „Was für ein Gentleman!“, dachte Ulrike beeindruckt und ging gleich zum Small Talk über: „Du bist Lehrer, nicht wahr?“ - „Ja, genau. Ich unterrichte Geschichte und Isländisch an der Gesamtschule in Breiðholt.“ Sein strahlendes Lächeln brachte sie ganz aus der Fassung. Sie war selten um Worte verlegen, aber nun musste sie mühsam nach Gesprächsstoff klauben. Pétur half ihr ganz bestimmt nicht, er konnte problemlos stundenlang schweigen, dabei spielte es keine Rolle, ob er allein war oder in Gesellschaft. Abends war es besonders schlimm, dann war kaum ein Wort aus ihm herauszuklauben. „Du wohnst in der Innenstadt, hat Rúna erzählt.“ – „An der Njálsgata, ist auch gar nicht weit bis zu eurem Gästehaus.“ Heiðar kurvte ziemlich flott über die Kreuzung bei der Hallgríms-Kirche. Pétur drückte reflexartig auf eine imaginäre Bremse, als knapp vor ihnen ein Wagen durchhuschte. „Typisch Grossstadt-Lenker, immer in Eile!“ Er hielt nochmals die Luft an, als Heiðar vor einem zweistöckigen Gebäude schwungvoll seitlich einparkte, und atmete erst wieder aus, als das Auto endlich zum Stillstand kam und der Motor verstummte.

    Der flotte Fahrer sprang aus dem Wagen, kümmerte sich wieder umsichtig ums Gepäck und reichte dazwischen den Damen die Hand, um ihnen beim Aussteigen behilflich zu sein. Ulrike war noch beeindruckter, während Gæfa es einfach bloss peinlich fand. „Rúna ist mit dem Nachtisch beschäftigt. Kommt.“ Er führte sie ein paar Treppenstufen zur Wohnung im Erdgeschoss und öffnete die Tür. „Rúna!“

    Flinke Schritte tappsten aus der Küche in den Flur. „Hey! Da seid ihr ja endlich!“ Sie fiel ihrer Mutter stürmisch um den Hals. „Hallo mein Liebes!“ Ulrike drückte ihre Tochter an sich und wiegte sie liebevoll. „Dein Freund ist ja ein echter Hingucker!“, flüsterte sie leise, bevor sie sich von ihr löste. „Hallo Papa.“ Rúna wandte sich rasch ihrem Vater zu, der sie

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