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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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„Auch wenn er Spenderblut trinkt, kann er seinen Jagdtrieb nicht ganz unterdrücken, es ist bloss eine Art Kompromiss, der aber durchaus vielen Menschen – und in meinem Fall – Tieren, das Leben rettet. Fionn sagte mir, dass er hin und wieder auf die Jagd geht. Ich wünschte, ich könnte dir das ersparen.“

    Ihr Kinn begann unkontrolliert zu zittern, sie schluchzte auf, stürzte sich in seine Arme und liess ihren Tränen freien Lauf, stellte sich vor, welche Qualen die jungen Frauen erleiden mussten, als Fionn über sie herfiel. Fionn, der jede Nacht an Kristíns Grab wachte. Der perfekte Gentleman, der sie stets höflich und zuvorkommend behandelte. Der versprochen hatte, ihr niemals etwas anzutun. Was unterschied sie von diesen Frauen, dass sie verschont blieb? Rúna verstand endlich, weshalb Kristín nicht damit leben konnte.

    Nachts holte sie alles ein:

    „Lauf, Rúna“, raunte er ihr mit samtiger Stimme ins Ohr und gab ihr einen leichten Schubs. Sie rannte los, spähte dabei immer wieder voller Angst über die Schulter. Fionn blieb dicht hinter ihr, ein fieses Grinsen im Gesicht. Sie versuchte schneller zu laufen, den Hügel empor, der zu ihrem Elternhaus führte. Gleich war sie zu Hause, in Sicherheit, aber der steile Anstieg gab ihr den Rest. Sie kriegte kaum noch Luft, konnte nicht mehr weiterlaufen und musste keuchend stehenbleiben. Fionn rückte mit federnden Schritten näher, würde jeden Moment zuschlagen. Sie stand wie gelähmt vor Katríns Haus, bräuchte bloss noch die Strasse zu überqueren, dann wäre sie daheim. „Bitte nicht, Fionn!“ - „Keine Sorge, Liebes, ich werde dich verschonen. Stattdessen hole ich mir deinen Bruder.“ Sie fuhr in Panik herum. Júlían rannte rufend aus der Einfahrt, über den Gehweg und direkt auf die Fahrbahn. „Júlí! Pass auf, der Vampir! Júlí!“

    „Wach auf, Rúna.“ Heiðar schüttelte sie sanft aus dem fürchterlichen Alptraum. „Schhh, du bist in Sicherheit.“ Die sanften Hände brachten ihre Atmung allmählich wieder unter Kontrolle, das Schluchzen wurde leiser, und sie hörte auf zu zittern. Rúna war fassungslos über diese neue Dimension des verhassten Alptraums. „Fionn... Er wollte Júlían töten... Ich konnte nichts dagegen tun!“ – „Es ist nicht verwunderlich, dass du solche Dinge träumst. Wenn ich dich doch bloss davor bewahren könnte, was mein Vater ist. Verzeih mir, Rúna.“

    Sie hatte sich wieder etwas gefasst und versuchte ihre Stimme halbwegs normal klingen zu lassen: „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ – „Ich möchte nicht, dass du Angst hast vor mir.“ Sie sah ihn mit grossen Augen an. „Das habe ich nicht, ich vertraue dir. Du wirst mir nichts tun, und Fionn auch nicht. Es ist bloss so schrecklich zu wissen, dass er Menschen tötet. Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll.“ – „Für mich ist es auch schwierig, obwohl ich aus eigener Erfahrung weiss, dass er nicht gegen seine Natur ankommen kann. Ich versuche es zu akzeptieren, auch wenn ich nicht gutheisse, dass er Menschen tötet, aber ich darf nicht erwarten, dass du das auch kannst.“ - „Nach menschlichem Ermessen müssten wir zur Polizei gehen und ihn anzeigen.“ – „Dir ist bewusst, dass man einen Unsterblichen nicht vor Gericht zerren kann? Dank seiner Fähigkeiten würde er sich einfach entziehen.“ – „Du hast recht. Stattdessen müsstet ihr euch wahrscheinlich vor irgendeinem Vampir-Gericht verantworten, weil das Geheimnis verraten wurde. Man würde ihn zwingen, mich zu töten, und du...“ Ihre Stimme versagte, als sie daran dachte, dass man ihn wohl ebenfalls töten würde, obwohl er kein richtiger Mensch war. Das konnte sie unmöglich zulassen. „Diesen Frauen und deren Familien würde es letztendlich nichts nützen, es gäbe bloss noch mehr Opfer. Meine Eltern müssten noch ein Kind verlieren, und dein Vater genauso.“ – „Ich verlange von ihm, nicht mehr in Island zu jagen. Vielleicht ist es leichter, wenn du nicht immer wieder mit dubiosen Vermisstmeldungen konfrontiert wirst. Und ich könnte meinen Anspruch erklären, das würde ihn von dir fernhalten.“

    Zu seiner Verwunderung schüttelte sie vehement den Kopf. „Nein, das möchte ich nicht. Es würde euch zwangsläufig auseinandertreiben. Ich möchte nicht dieselben Fehler machen wie deine Mutter, obwohl ich sehr gut verstehen kann, warum sie nicht damit umgehen konnte. Zu wissen, dass er Menschen tötet, ist an sich schon furchtbar. Aber zu erfahren,

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