Silbernes Band (German Edition)
flach zu atmen.
Er stellte sich an das Ende der Schlange und wartete ungeduldig. Wie wäre es wohl, den süssen Mund zu küssen, oder gar die pulsierende Kehle, ihr ganz nahe zu kommen... Ob er sie in seinen Bann ziehen sollte, um es sich etwas leichter zu machen? Nein, er wollte, dass Rúna sich aus freien Stücken für ihn entschied, es wäre nicht richtig, sie zu beeinflussen. Auch wenn es bei Helga so hervorragend geklappt hatte. Jetzt war nur noch ein Kunde vor ihm. Das brennende Verlangen wurde stärker, etwas zog heftig an der Kette. „Hol sie dir“, flüsterte die Stimme im Kopf.
Rúna reichte dem Kunden seine Tüte und verabschiedete sich freundlich lächelnd, wandte sich dann endlich ihm zu: „Hallo Heiðar. Dein Buch ist leider noch nicht da. Ich sagte doch, wir rufen an.“ Sie schien etwas überrascht, ihn schon wieder zu sehen. „Ich bin auch nicht wegen dem Buch hier, sondern wegen dir“, stellte er fest und schenkte ihr sein umwerfendstes Lächeln. Das funktionierte normalerweise immer, nun würde er sie auf einen Kaffee einladen. Er strengte sich an, das Flüstern und den brennenden Durst zu ignorieren. „Ich möchte dich gerne auf einen Kaffee einladen. Was sagst du? Morgen im Mokka ? Darf ich dich nach der Arbeit abholen?“ Er liess seine Augen leuchten. Darauf sprachen sie alle an.
Rúna nicht, sie musterte ihn bloss kritisch: Der war ja ganz schön überzeugt von sich selbst. Die Einladung zum Kaffee bestimmt bloss ein Vorwand, um von seinen eigentlichen Absichten abzulenken. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie vorsichtig sein musste. Da lauerte eine unbestimmte Gefahr in seinem Blick. Abgesehen davon, waren seine Augen einfach wunderschön. Dieses leuchtende Saphirblau mit dem silbernen Schimmer - so etwas hatte sie noch nie gesehen. Vermutlich Kontaktlinsen.
„Tut mir leid, aber ich gehe nicht zum Kaffee mit unseren Kunden“, erwiderte sie kühl. Das hatte er nicht erwartet. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog er, sie zu bannen. Nein, es musste einen anderen Weg geben, er wollte nicht gleich den Kopf in den Sand stecken! „Schade, ich möchte dich sehr gerne kennenlernen. Du scheinst Bücher genauso zu lieben wie ich.“
„Würde ich sonst in einer Buchhandlung arbeiten?“, blaffte sie genervt. „Wenn du erlaubst, frage ich dich nächste Woche nochmal, wenn ich meinen Krimi abhole.“ – „Tu das, die Antwort kennst du ja bereits.“ Sie liess ihn stehen und winkte den nächsten Kunden an die Theke. Enttäuscht verliess er die Buchhandlung. Er war es nicht gewohnt, dass man ihn abwies. Dass es ausgerechnet die Frau war, die er begehrte, wie keine zuvor, machte es auch nicht besser...
Annäherung an die unsterbliche Welt I
Auf dem Heimweg grübelte er darüber nach, wie er Rúna dazu überreden konnte, mit ihm auszugehen. Sie liess sich nicht so leicht um den Finger wickeln. Genaugenommen war es klug von ihr, sich nicht mit ihm zu verabreden, er war schliesslich viel zu gefährlich für sie. Es gab keine Garantie, dass er nicht bei der ersten Gelegenheit zubiss, um dann genüsslich ihr Blut zu trinken. Natürlich wusste sie das nicht, aber vielleicht ahnte sie die Gefahr, die von ihm ausging? Trotzdem wollte er es weiter versuchen, so selbstlos war er dann auch wieder nicht.
Zu Hause warf er eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Kein kulinarischer Höhenflug, aber immerhin ging es schnell. Während er das labbrige Ding ass, checkte er seine E-Mails und bereitete einen Geschichtstest für eine seiner Klassen vor. Er genoss die Vorteile des Alleinlebens. Keiner erwartete feine Tischmanieren, niemand nervte, wenn Socken und Hemden herumlagen. Seinem Vater zuliebe begann er die schmutzigen Sachen einzusammeln, stopfte alles in die Waschmaschine und startete ein Buntwäsche-Programm. Den Couchtisch musste er auch noch freilegen, dort stapelten sich schon wieder unzählige Bücher. Das Frühstücksgeschirr gehörte in die Spülmaschine und die Pizzaschachtel in den Müll. Fionn würdigte hoffentlich seinen Versuch, ihm eine ordentliche Wohnung zu präsentieren. Bei seinen bisherigen, heimlichen Besuchen war sie vermutlich nicht immer in bester Verfassung gewesen. Heiðar nahm sich zum wiederholten Mal vor, in Zukunft etwas mehr Zeit für Haushaltspflichten einzuplanen. Anders als für normale Menschen war die lästige Hausarbeit schliesslich weder mühselig noch anstrengend. Im Handumdrehen konnte er alles erledigen, aber er hasste es trotzdem.
Fionn war auf
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