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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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kannst kochen?“ Rúnas erstaunter Blick sprach Bände, aber Heiðar schien sich nicht zu wundern. Die Koteletts wurden geschickt gewendet und mit isländischem Thymian gewürzt, der den Duft noch köstlicher machte. „Natürlich. Was glaubst du, wie oft ich für Kristín gekocht habe. Dies war eines ihrer Lieblingsgerichte.“

    Rúna hob den Deckel von einem Topf und äugte neugierig hinein. Leuchtend-orange Karotten an frischen Kräutern. „Wie machst du das mit den Gewürzen? Probierst du etwa?“ Fionn schüttelte missbilligend den Kopf. „Nein, das wäre wirklich zu eklig. Ich koche immer genau nach Rezept.“ Er deutete zu einem Regal, in dem mehrere Kochbücher standen. „Obwohl ich niemals etwas davon essen würde, sehe ich mir gerne Kochbücher an und lese die Rezepte.“ – „Du bist also ein wandelndes Kochbuch“, kicherte Rúna. „Ich meine, weil du dir die Rezepte doch ganz leicht merken kannst. Jetzt weiss ich, wen ich fragen muss, wenn ich mal wieder keine Ahnung habe, was ich kochen soll.“ Fionn verzog konsterniert das Gesicht und wies mit der Hand zum schön gedeckten Küchentisch. „Setzt euch.“ Er holte ein Blech mit halbierten Kartoffeln aus dem Ofen, ohne einen Topflappen zu benutzen, hob vorsichtig das Gemüse aus der Pfanne und verteilte Lammkoteletts und Beilagen auf zwei Teller, um sie ihnen dann formvollendet zu servieren. „Guten Appetit!“ – „Danke. Sieht echt lecker aus.“ Fionn setzte sich mit gespannter Miene zu ihnen. Rúna nahm sich als erstes eine Karotte. Sie schmeckte nach frischen Kräutern und war keine Spur verkocht. Also ging sie gleich zum Lamm über und stellte beim ersten Bissen fest, dass es absolut perfekt war. Butterzart und genau richtig gewürzt. Die Ofenkartoffeln waren schön knusprig und nicht zu stark gesalzen. „Kompliment! Heiðar hätte das nicht besser hingekriegt.“ – „Vielen Dank.“ Fionn freute sich offensichtlich über das Lob, während Heiðar leicht gekränkt den Mund verzog.

    „Sag mal, ist Edward eigentlich die ganze Zeit auf dem Posten?“, erkundigte sich Rúna, bevor sie sich der nächsten Kartoffel widmete. „Nein, natürlich nicht. Obwohl ich ihn jederzeit bemühen könnte, er wohnt hier im Haus.“ Rúna dachte an das Nashorngehege im Souterrain. Das musste wohl Edwards Zuhause sein. „Der Empfang ist üblicherweise wochentags von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends besetzt“, fuhr Fionn fort. „Edward teilt sich die Arbeit mit zwei Studenten, aber heute liess er es sich nicht nehmen, hier zu sein. Er ist ein überaus loyaler und dankbarer Mitarbeiter.“ – „Arbeitet er schon lange für dich? Wäre doch ein Risiko, weil du dich nicht veränderst.“ – „Edward verlor vor zwei Jahren seine Stellung in einem erstklassigen Fünf-Sterne-Haus. Im Zuge der Rationalisierung war kein Platz mehr für ihn. Zudem starb wenige Monate davor seine Frau. Die einzige Tochter lebt mit ihrer Familie in Singapur. Ihn einzustellen war ein Glücksgriff. Je weniger persönliche Beziehungen ein Sterblicher hat, umso besser. Es reduziert das Risiko, dass zuviel über einen gesprochen wird.“ Fionn beendete das Thema mit einem harmlosen Lächeln und einem Nicken. Rúna fragte sich, ob er tatsächlich bloss an den eigenen Vorteil gedacht hatte, als er den bedauernswerten Edward einstellte. Fühlte er eine gewisse Seelenverwandschaft? War er selbst nicht bis vor Kurzem ziemlich einsam gewesen?

    Nach dem Hauptgang servierte Fionn im Wohnzimmer Tee, Eiscrème und Weihnachtsgebäck. Er hatte die elektrischen Kerzen am Weihnachtsbaum angemacht, die ein angenehmes Licht verbreiteten. Am Kamin, in dem ein gemütliches Feuer knisterte, hingen zwei Strümpfe. Rúna und Heiðar kuschelten auf einem der bequemen Sofas, Fionn sass ihnen gegenüber. Heiðar dachte an vergangene Weihnachtsfeste. Heiligabend hatte er für gewöhnlich mit Kristín verbracht, bei einem leckeren Essen und angeregten Gesprächen. Zweimal nahm er die Einladung bei der Familie einer seiner Freundinnen an, vermied aber ansonsten solche Verbindlichkeiten und sträubte sich bisher immer erfolgreich dagegen, als potenzieller Schwiegersohn angesehen zu werden. Nun war alles anders. Ein Weihnachten ohne seine geliebte Gefährtin konnte er sich überhaupt nicht vorstellen.

    Fionns Erinnerungen drehten sich ebenfalls um vergangene Weihnachtsfeste. „Es ist lange her, dass ich die Feiertage begangen habe. Zuletzt mit deiner Mutter. Ich liebte es, sie mit Geschenken zu

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