Silbernes Band (German Edition)
war.
Heiðar und sie kriegten beide noch ein Geschenk in die Hand gedrückt. „Du wirst es nicht wirklich brauchen, mein Sohn, es ist eher symbolisch gedacht“, meinte Fionn lächelnd und verfolgte aufmerksam, wie sie die Päckchen auswickelten. “ Rúna blieb beinahe die Luft weg: In einem blauen Samtkästchen lag eine wunderschöne Damenuhr. Die Lunette war mit Diamanten besetzt, das Zifferblatt schimmerte perlmuttfarben und das Metallglieder-Armband war in Gold und Silber gehalten. „Das kann ich unmöglich annehmen, Fionn...“ – „Ich bestehe darauf. Vergiss nicht, dass ich einiges nachzuholen habe.“ – „Aber doch nicht bei mir, schliesslich bin ich nicht deine Tochter!“ – „Darüber haben wir bereits gesprochen, liebe Rúna. Du gehörst zur Familie, es wäre unhöflich, nur meinem Sohn etwas zu schenken.“ – „Zeig her, ich helfe dir.“ Heiðar nahm ihr die Uhr ab und legte sie um das schmale Handgelenk. Das Armband hatte die richtige Länge, so als hätte jemand heimlich den Umfang gemessen. In Rúnas Augen schimmerte es verdächtig. Es war schon fast normal, die Arme um Fionn zu legen und die Lippen kurz auf die kühlen Wangen zu drücken.
Heiðars Uhr war aus Weissgold, hatte ein Metallglieder-Armband und ein blaues Zifferblatt, das perfekt zu seinen Augen passte. „Sie steht für die Zeit, die wir hoffentlich noch miteinander verbringen dürfen. Achte darauf, dass sie niemals stehenbleibt“, meinte Fionn bedeutungsvoll und zog seinen Sohn in die Arme.
Nun durfte Fionn sein zweites Geschenk auspacken. Es war eine alte, in Leder gebundene Ausgabe der Snorra - Edda , die Rúna und Heiðar in einem Antiquariat entdeckt hatten. Die Seiten waren aus wertvollem Pergament, in alter Schrift bedruckt. Er freute sich sehr darüber.
Unter dem Baum lagen zwei weitere Päckchen. „Du zuerst!“ – „Nein du!“ – „Also zugleich.“ Sie bückten sich nach den Geschenken und reichten sie einander. Heiðar konnte fühlen und riechen, dass es sich um ein Buch handelte. Ungeduldig löste er das goldene Band und den Klebestreifen. „Wolltest du nicht auf mich warten?“ Sie hielt inne mit auspacken und genoss sein gerührtes Lächeln, als er das Buch mit Liebesgedichten in verschiedenen Sprachen in Augenschein nahm. „Das ist ein wunderschönes Buch. Vielen Dank, Rúna“, flüsterte er ihr ins Ohr, streifte dabei mit den Lippen die Mulde daneben. Rúna fuhr fort ihr Geschenk auszupacken, ahnte bereits etwas, als sie ein flaches, ledernes Kästchen aus dem Papier zog. Heiðar hatte den Arm um sie gelegt und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Sie atmete ein, öffnete dann vorsichtig das Kästchen. In einem Bett aus weisser Seide lag eine schmale Kette mit einem zierlichen Herzanhänger. Ein in Weissgold gefasster Saphir, umrahmt von Diamanten. Rúna kriegte keinen Ton heraus. „Darf ich?“ Heiðar nahm die Kette sorgfältig aus dem Kästchen und legte sie ihr um den Hals. Sein Finger strich sachte über ihr Schlüsselbein und über die feine Goldschnur auf ihrer Haut. Sie fasste vorsichtig mit der Hand nach dem Schmuck, der Schimmer in ihren Augen löste sich und rollte in Form von Freudentränen über ihre Wangen. „Die ist wunder- wunderschön! Danke Heiðar!“ – „Mit deiner Schönheit kann sie es nicht aufnehmen, aber ich finde, sie steht dir ausgezeichnet. Sie soll meine Liebe zu dir ausdrücken.“ Sie verloren sich in einem innigen Kuss. Rúna kümmerte es nicht länger, dass Fionn ihnen dabei ungeniert zusah. „Ich liebe dich“, flüsterten beide zugleich.
„Ich finde, du entwickelst dich so langsam zu einem richtigen Unsterblichen!“, lobte Fionn schmunzelnd. „Sieh mal.“ Jemand hatte in weiser Voraussicht einen goldenen Handspiegel bereitgelegt, damit Rúna den Schmuck gebührend bewundern konnte. Sie versank sprachlos in ihrem Spiegelbild, bis Heiðar sie mit einem sanften Kuss weckte. „Komm, ich lese dir die Gedichte vor.“ Sie setzten sich aufs Sofa, und er begann mit klarer Stimme und reizvollem Akzent einen französischen Vierzeiler vorzutragen, den er anschliessend ins Isländische übersetzte. Die folgenden Verse waren in Italienisch abgefasst, was er ebenfalls sehr gut beherrschte. „Sag mal, wieviele Sprachen sprichst du eigentlich? Abgesehen von Isländisch, Gälisch, Deutsch, Englisch, Französich und Italienisch, meine ich.“ – „Einige“, gab er grinsend zu, und zählte auf: „Norwegisch, Dänisch, Schwedisch und Finnisch, Holländisch,
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