Silbernes Band (German Edition)
wirkte sehr selbstbewusst und hatte Erfahrung darin, sich auf eine ganz bestimmte Weise mit Frauen zu unterhalten. Man konnte gar nicht anders, als sich wohlzufühlen in seiner Gesellschaft, und genau das machte ihr Angst. Vielleicht war alles bloss ein Spiel und sie passte grade in den Spielplan?
Heiðar erlaubte sich eine weitere kleine Träumerei: Er wünschte seine Hand an ihre Wange. Ganz leicht würde sein Daumen über den anmutig geschwungenen Wangenknochen streicheln. Hauptdarsteller wäre aber wieder sein Ringfinger, der sich unauffällig in diese kleine Vertiefung neben dem Ohr legen würde. Wie gern wollte er diesen Wunsch formulieren, um dann hoffentlich ihre Erlaubnis zu erhalten. Nein, nicht hier und jetzt. Er durfte sie nicht verschrecken. Sein Mund fand harmlosere Worte, die genauso der Wahrheit entsprachen: „Ich bin sehr glücklich, dass ich dir hier gegenüber sitzen darf. Es ist schön, in deiner Nähe zu sein, und ich mag dein Lachen.“ Rúna spürte, wie sie errötete. Heiðars Augen blitzten, als er weitersprach: „Und das mag ich ganz besonders.“ Sein Blick blieb unverwandt auf sie gerichtet. Das Rot auf ihren Wangen wurde noch eine Spur dunkler, weshalb sie rasch wegsah. Sämtliche Alarmglocken schrillten, doch Rúna wollte nicht auf sie hören. Sie wünschte sich, noch eine Weile weiterträumen zu können, wollte diesen Traum festhalten, bis er ihr irgendwann entglitt. Es war klar, dass sie eines Tages verletzt zurückblieb. Wenn sie sich dessen bewusst war, konnte sie es vielleicht wagen, sich auf sein Spiel einzulassen.
Der Hauptgang wurde serviert. Heiðar fühlte leisen Stolz auf seine Selbstbeherrschung. Nach seiner ersten Begegnung mit Rúna war er überzeugt gewesen, es nicht bis hierher zu schaffen. Wäre doch schade, das köstlich duftende Lamm zurückgehen zu lassen. Sie kosteten beide, dann nahm er den Faden des Gesprächs wieder auf: „Gehst du gern ins Kino?“ – „Ja, schon. Letzte Woche war ich im Paradís , die haben ein ansprechendes Programm.“ – „Das Paradís mag ich auch. Gerade eben habe ich das Gefühl, dort zu sein. Ich bin Teil einer wunderschönen Geschichte, die hoffentlich nie zu Ende geht...“ – „Süssholzraspler.“ – „Ich meine es ernst, Rúna. Du bist etwas ganz Besonderes...“ – „Was ist mit Musik? Besuchst du gerne Konzerte?“, beeilte sie sich abzulenken, bevor er sie womöglich ins Paradies einlud...
„Verzeih mir, ich wollte dir nicht zu nahe treten...“ – „Schon okay. Was jetzt? Magst du Musik?“ – „Ja klar, allerdings besuche ich nur selten Konzerte. Die kleinen Clubs sind immer so heiss und stickig.“ – „Du magst es nicht, wenn die Menge tanzt und grölt?“ – „Nicht besonders – es kommt darauf an... Manchmal ist es okay, und manchmal brauche ich Abstand, dann ist mir alles zuviel.“ – „Verstehe. Dann gehst du wahrscheinlich raus in die Natur, um abzuschalten. Mir geht’s genauso. Wenn mich etwas beschäftigt, muss ich allein sein.“
Der Kellner trat an den Tisch und räumte die Teller ab. Heiðar nahm versonnen einen Schluck Wein. Die linke Hand lag auf dem weissen Leinen. Rúna konnte nicht länger widerstehen. Als sie die kühle Haut berührte, zuckte er leicht zusammen, blickte dann fasziniert auf die kleine warme Hand, die ihn sanft drückte. Wie schön die feinen blauen Linien im Kerzenlicht wirkten. Er drehte seine Hand um und umfasste das leise Pochen. Ganz sachte strich er mit dem Daumen über ihren Handrücken. Rúna bemerkte erstaunt, dass sich die kühle Berührung wunderschön warm anfühlte. Es war ein wohliges Kribbeln, eine Art Glühen, das direkt unter die Haut ging.
„Verzeihung.“ Wie schade, sie mussten ihre Hände zurückziehen, damit der Nachtisch serviert werden konnte. Die Mousse au Chocolat schmeckte vorzüglich, konnte es aber nicht ganz mit Heiðars Blicken und den feinfühligen Fingern aufnehmen. Während sie assen, dachte Heiðar an Fionns Worte. Er sollte sich Rúna behutsam nähern. Auf keinen Fall durfte er gleich aufs Ganze gehen und sie verführen. Es wäre viel zu gefährlich. Darum würde er es so machen, wie sein Vater es ihm geraten hatte. Er wollte sich Schritt für Schritt annähern, dabei Stück für Stück sein Geheimnis enthüllen. Für einmal musste er geduldig sein, und er musste sich beherrschen.
Das Lokal hatte bis Elf geöffnet. Heiðar liess um drei Minuten vor Elf die Rechnung kommen und bezahlte. Auf dem Weg zur Garderobe blieb er
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