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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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dicht hinter ihr. Er musste an sich halten, um nicht einfach in die duftigen Locken zu fassen, die bei jedem Schritt fröhlich hüpften. „Darf ich dir helfen?“ Er schob sich neben sie, schnappte sich ihren Mantel und zog ihn vorsichtig vom Bügel. Rúna schmunzelte amüsiert über sein Gentleman-Gehabe, wie er ihr half, in die Ärmel zu schlüpfen, dann behutsam den wärmenden Wollstoff über ihre Schultern legte. Von isländischen Männern erwartete man solche Gesten nicht unbedingt. War aber trotzdem ganz angenehm, musste sie zugeben. Mama wäre bestimmt begeistert. Hatte sie nicht jahrelang vergeblich versucht, Papa solche Höflichkeiten näherzubringen?

    Rúna fasste in den Nacken und zog ihr Haar aus dem Mantelkragen. Heiðar stand immer noch reglos hinter ihr. Fast erwartete sie, dass er seine Arme um sie schlang und ihr Haar küsste. Wäre das nicht schön? Als sie sich umdrehte, trat er einen Schritt zurück, als scheute er vor der plötzlichen Nähe, und wandte sich rasch dem Ausgang zu, wo ihnen der freundliche Kellner bereits die Tür aufhielt.

    Draussen empfing sie ein frischer Herbstwind. Ihre blonden Locken wurden wild herumgewirbelt und streiften frech sein Gesicht. Er wollte seine Nase darin vergraben und das seidenweiche Haar küssen. „Puh, ist das kalt heute. Ich hätte eine Mütze mitnehmen sollen.“ Rúna strich sich eine vorwitzige Strähne aus dem Gesicht. Wollte sie etwa, dass er sie in die Arme zog und wärmte? Damit konnte er leider nicht wirklich dienen, wäre sowieso zu riskant, ihr schon so nahe zu kommen. Er fasste sachte nach ihrer Hand, um sie zum Wagen zu führen, der in einer düsteren Seitenstrasse parkte. Für den Anfang war das auch nicht schlecht. Ihre warme Hand zu halten und darauf zu hoffen, dass ein freundlicher Windstoss ihr Haar in sein Gesicht wehte. Sie verschränkten die Finger ineinander, dadurch berührten sich ihre Handgelenke. Er konnte deutlich den leicht erhöhten Puls an seinem spüren, was ihn ziemlich erregte.

    Viel zu früh waren sie beim Wagen angelangt. Er half ihr beim Einsteigen und beugte sich dann zu ihr hinunter, um ihr den Gurt zu reichen. „Dankeschön.“ Sie zog an der Schnalle, wandte den Kopf ab und klinkte den Gurt ein. Hinter dem Lockenvorhang bot sie ihm unbewusst ihre Kehle dar. Er bräuchte bloss ihr Haar zur Seite zu schieben, dann könnte er die pochende Stelle sehen. Es juckte ihn in den Fingern. Bloss einmal kurz anfassen. Hier in der dunklen Seitenstrasse, im Auto festgeschnallt war sie ihm hilflos ausgeliefert. Er könnte noch ganz andere Dinge tun.

    Stopp! Heiðar liess mit Nachdruck die Tür ins Schloss fallen, ging um den Wagen herum und stieg ein. Besser, er brachte sie gleich nach Hause. Sein Lieblings-Radiosender spielte Hits aus den Achtzigern. Die Musik wurde vom Rauschen der Heizung begleitet und von diesem wunderbaren Duft nach Wollgras, Flieder und Frühlingsonne untermalt. Nach kurzer Fahrt parkte Heiðar vor dem hässlichen Haus an der Skúlagata. Ob er ihr Haar küssen sollte?

    Rúna war wild entschlossen, die Initiative zu ergreifen, falls er keine Anstalten machte, sie zu küssen. Beim Gedanken daran wurde ihr ganz warm. Mit nervösen Fingern löste sie den Sicherheitsgurt.

    Das mit dem Küssen schien er auch für eine gute Idee zu halten. Bevor sie loslegen konnte, beugte er sich zu ihr rüber und legte behutsam die Arme um sie. Rúna sah sein schönes Gesicht in Zeitlupe näherkommen, sah die leicht geöffneten Lippen, die gleich auf ihrem Mund landen würden. Sie fasste in die dunklen Locken und zog ihn zu sich heran. Ihre Münder berührten sich. Wie kühl und weich sich seine Lippen anfühlten, und wie zärtlich.

    Rúna schmeckte so süss, wie sie roch. Er musste immer wieder davon kosten. Unter der zarten Lippenhaut konnte er ihr Blut fühlen. Einen richtigen Kuss wagte er deshalb nicht. In seiner Kehle loderte bereits ein Feuer der Begierde, das seine Selbstbeherrschung arg strapazierte. Also spürte er noch einmal bewusst dem feinen Blutfluss nach und löste sich dann vorsichtig von ihr. Er strich sanft über ihre Wange, erlaubte dem Ringfinger ganz kurz, die Mulde neben dem Ohr zu berühren. Sie fuhr ihm nochmals sachte durchs Haar und lächelte. „Ich sollte besser gehen, es ist schon spät.“

    Obwohl seine innere Stimme anderer Meinung war, stieg er flink aus und ging erneut um den Wagen herum, um ihr behilflich zu sein. Wie von selbst legte sich sein Arm fürsorglich um ihre Schulter.

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