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Silbernes Band (German Edition)

Silbernes Band (German Edition)

Titel: Silbernes Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Jaedig
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sehr geliebt. Ich liebe dich noch immer.“

    Er trat näher ans Bett und beugte sich zu ihr hinunter. Ein letztes Mal strich er mit glühenden Fingern über die warme Wange, küsste liebevoll ihre Stirn, dann die Lippen, sah ihr tief in die Augen und bannte ihren Blick. „Geh zurück in die Zeit, als wir glücklich waren.“

    Kristín war wieder das unbeschwerte junge Mädchen, das sich keine Sorgen darüber machte, was ihr Gefährte war. Sie liebten einander, alles fühlte sich leicht an. „Du spürst keinen Schmerz und keine Angst. Ich bin bei dir, mein Herz.“ Sie war ganz ruhig, sah nur seine saphirblauen Augen. Fionn legte ihr eine Hand auf Mund und Nase. „Ich liebe dich Kristín, für immer.“ Sein Griff wurde fester, während seine Worte sie einhüllten. „Keinen Moment werde ich je vergessen, keine Sekunde, die du mein warst.“ Sie spürte keinen Schmerz und keine Panik, als ihren Lungen die Luft entsagt wurde. „Mein Herz, meine Liebe. Für immer.“ Seine ruhige Stimme geleitete sie hinüber ins Licht. Ihr Herzschlag stolperte und stoppte, die wunderschönen Augen brachen.

    Kristín war tot. Fionn weinte drei silberne Tränen. Er schloss sachte ihre Augen und küsste sie ein allerletztes Mal. „Mein Herz, meine Liebe.“ Sie sah friedlich aus. Auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln.

    Niemand bemerkte den lautlosen Schatten, der über den Flur nach draussen huschte.

Trauer
     
    Heiðar hatte sich eben Kaffee gemacht, als das Telefon schrillte. Am anderen Ende der Leitung sprach der behandelnde Arzt von Kristín: „Guten Morgen Heiðar. Ich muss dir leider mitteilen, dass deine Mutter letzte Nacht gestorben ist. Mein herzliches Beileid.“ Er erfasste die Worte und versuchte zu begreifen, was man ihm mitteilte. „Sie sah ganz friedlich aus, sie ist im Schlaf gestorben“, erklärte der Arzt, wohl um ihn zu trösten. „Kristín ist in der Kapelle aufgebahrt. Du kannst dort von ihr Abschied nehmen.“
     
    Heiðar fand seine Stimme wieder und sprach automatisch ein paar Worte, die er für passend hielt: „Vielen Dank, dass du angerufen hast. Ich komme gleich vorbei.“ Der Arzt wollte noch etwas anfügen, aber Heiðar hatte bereits aufgelegt. Er funktionierte bloss, rief gleich danach in der Schule an und teilte mit, dass er heute nicht kommen würde, da seine Mutter gestorben sei. Dann wählte er Fionns Nummer und liess es lange klingeln. Er war nicht erreichbar. Also fuhr er ins Krankenhaus, um Kristín zu sehen. Der Andachtsraum, wo man sie aufgebahrt hatte, war leicht zu finden. Die freundliche Krankenhaus-Angestellte schickte er weg, er wollte allein sein. Er sammelte sich und schloss für einen Moment die Augen, bevor er die Tür öffnete.
     
    Ihr Herz war nun stumm. Sie lag in einem hellen Sarg, friedlich, als würde sie schlafen, ein kleines Lächeln auf den Lippen. Heiðar trat an ihre Seite und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie fühlte sich kalt an, kälter als Fionn. Er strich zärtlich über die gefalteten Hände, ihre Stirn, ihre Wangen und berührte das Lächeln, das sie mit in den Tod genommen hatte. Er begriff, dass sie nie wieder die Augen öffnen würde, er nie wieder ihre Stimme hören konnte. Sie war gegangen und hatte ihn und Fionn zurückgelassen. Sein verwegener Wunsch von gestern war geplatzt wie eine Seifenblase. Ihr Anblick verschwamm vor seinen Augen. Er küsste sie ein letztes Mal und nahm Abschied.
     
    Fionns Geruch war deutlich wahrnehmbar. Er musste kurz vor ihrem Tod bei ihr gewesen sein, hatte ihr Gesicht berührt und ihre Hand gehalten. Hatte Fionn Kristín getötet? Sie war im Schlaf gestorben, hatte der Arzt gesagt. Es wäre ein Leichtes gewesen für Fionn, sie mit seinen Händen zu ersticken, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Der friedliche Ausdruck auf ihrem Gesicht könnte daher rühren, dass er sie gebannt hatte, um ihr den schrecklichen Todeskampf zu ersparen. Aber warum sollte Fionn seine geliebte Gefährtin töten? Hoffte er nicht bis zuletzt, sie verwandeln zu dürfen, um ihr ein anderes Leben zu geben? War es womöglich Kristíns Wunsch gewesen, durch Fionns Hand zu sterben? Hatten sie deshalb diesen gemeinsamen Besuch inszeniert? Zum Abschied? Heiðar schloss erschüttert die Augen und schluchzte.
     
    Fluchtartig verliess er das Krankenhaus und lief zurück nach Hause. Da stand noch die volle Tasse Kaffee, der jetzt kalt war. Heiðar setzte sich an den Küchentisch und starrte vor sich hin. Er musste es Rúna sagen. Sie war erst um

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