Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Anwesenheit spürte, und rief: »Wer ist da?«
Da es niemals möglich gewesen wäre,
diesen ältesten und weisesten Vampiren auf Erden etwas vorzumachen, nannte
Valerian ihnen seinen Namen.
»Verlassen Sie diesen Ort«, befahl
einer der Ältesten mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Wir sind im Begriff,
ein wichtiges Ritual auszuführen.«
Ich will bleiben, erwiderte Valerian, im Geiste nur,
weil er keinen Körper besaß und daher auch keine Stimme.
Einen kurzen Moment lang herrschte
Schweigen, nur das leise Tropfen des Wassers war zu vernehmen.
»Was haben Sie hier zu suchen?«
fragte einer der Ältesten. Sie waren bemerkenswert geduldig, aber darauf
verließ Valerian sich nicht.
Die Wunden, die Aidan erlitt, hat er
durch meine Schuld erlitten. sagte
Valerian. Ich war Lisettes Gefangener, sie hatte mich an die Erde gefesselt,
um mich dem Sonnenlicht auszusetzen, und er versuchte, mir zu helfen.
Mit einer fleischigen, behaarten
Hand deutete der Wikinger auf Aidan. »Wollen Sie, daß wir hier herumstehen und
mit Ihnen plaudern, während er stirbt? Auch er wurde durch die Sonne verwundet,
aber das ist das geringste seiner Probleme. Der Vampir Tremayne hat das Blut
eines Magiers getrunken und steckt voller Gift.«
Valerian hätte geschworen, es sei
unmöglich, noch größere Qualen zu empfinden, als er bereits erlitt, doch nun
machte er die Erfahrung, daß sein Leiden bisher nicht einmal begonnen hatte.
Bebend vor innerer Verzweiflung zog er sich in eine Ecke zurück, um die
Vorgänge zu verfolgen. Verdammt, Aidan, rief er der leblosen Gestalt auf
der Steinplatte zu, ich hatte dich vor Magiern gewarnt! Du warst gewarnt!
Da erschien Tobias, der Valerian jedoch
keines Blickes würdigte, Aidans reglose Hand nahm und sich mit einer ernsten
Frage an seine Gefährten wandte. »Sind wir bereit?«
Einer der anderen seufzte schwer.
»Ja.«
Während Valerian hilflos zuschaute
und sich verzweifelt nach der Gunst zurücksehnte, vom Himmel etwas erbitten zu
dürfen, nahm die geheimnisvolle Zeremonie ihren Anfang. Ein goldener Kelch wurde
aus einer blauen Samthülle entfernt, zusammen mit einem schimmernden Messer mit
dünner Klinge.
Der Wikinger war der erste, der das
Messer ergriff, tief damit in sein eigenes Handgelenk schnitt und etwas von dem
Blut in den Kelch tropfen ließ. Danach folgten die anderen, wiederholten seine
Geste einer nach dem anderen. Als der Kelch überzulaufen drohte mit dem roten
Nektar, nahm Tobias eine Glasphiole mit destillierten Kräutern aus der Tasche
seiner Tunika und goß ihren Inhalt in den Kelch.
Als dies geschehen war, hob er
Aidans Kopf und hielt den Kelch an seine Lippen.
Zuerst geschah nichts, und Valerian
war plötzlich sicher, daß Aidan bereits gestorben war. Doch dann begann Tobias
aufmunternde Worte zu murmeln, und Aidan begann zu trinken, wenn auch auf
Vampirart, indem er die Flüssigkeit durch seine Fänge aufsog, statt sie zu
schlucken.
Valerian schlich näher und hielt
sich dicht hinter Tobias' rechter Schulter. Aidan hatte den ganzen Kelch
geleert, und Spuren roten Bluts schimmerten auf seinen Lippen. Vor Valerians
Augen nahm seine Haut die blaugraue Färbung des Todes an.
Was wird nun mit ihm geschehen? fragte Valerian. Tobias war zwar
nicht sein Freund, aber er hatte immerhin vor nicht allzu langer Zeit Valerians
Leben gerettet. Es mußte also doch noch eine Spur von Mitleid oder Verständnis
in dieser uralten Kreatur zu finden sein.
Tobias antwortete ihm. Ich weiß
es nicht — wir mußten rasch handeln, um dem Effekt des Magiergifts
entgegenzuwirken. Doch selbst wenn unsere Bemühungen erfolgreich waren, wird
Aidan noch andere Qualen und Prüfungen ertragen müssen, .die sich keiner von
uns auch nur vorzustellen vermag.
Valerian hätte am liebsten auch den
Wundertrunk zu sich genommen, um an Aidans Seite durch das Tor ins Schattental
zu schreiten, aber das sagte er natürlich nicht, formte die Worte nicht einmal
in seinen Gedanken.
Der weise Tobias, so täuschend jung
in seinem Aussehen, erkannte das Gefühl und sagte: Sei nicht albern,
Valerian! Würdest du wirklich alles aufgeben, was du bist und was du hast —
selbst jetzt noch —, um ein Mensch zu sein? Um eine lächerlich kurze
Zeitspanne zu leben und dann zu sterben? Ich glaube, du bist weder so
edel noch dumm genug, dir so etwas zu wünschen.
Valerian erkannte die Wahrheit in
Tobias' Worten und war beschämt. Er zog sich weiter in die Schatten zurück und
nahm voller Sorge seine Wache wieder
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