Silberschweine
das Schienbein gegeben und nach oben gestochen, als er mir entgegenfiel. Einen Mann mit Militärsausbildung hätte ich so nicht aufhalten können; aber eine solche Ausbildung besaß er offensichtlich nicht; ich hatte ihn getötet.
Es ist in Rom verboten, Waffen mitzuführen. Aber ich hatte schließlich die Tochter eines Senators verteidigt; kein öffentlicher Ankläger würde mir daraus einen Strick drehen. Außerdem hatte ich sie nicht vierzehnhundert Meilen weit ertragen, um sie mir auf der Schwelle ihres Hauses wegschnappen zu lassen und mein doppeltes Honorar in den Kamin zu schreiben.
Camillus Verus, das Schwert in der Hand, atmete heftig und versuchte sich einen Überblick über das lebhafte Treiben zu verschaffen. Uns umbrandete das Chaos. In der hereinbrechenden Dämmerung wirkte alles noch gespenstischer.
»Sie sind weg, aber einen habe ich gestreift –«
»Nicht übel, Senator. Sie sollten mal in meine Fechtschule mitkommen!«
»Falco, ist Ihnen schlecht?«
»Der warmherzige Empfang hat mich überwältigt.«
Menschen töten bekommt mir nicht.
Der Senator und seine Frau, die jetzt inmitten einer Schar verstört dreinblickender Hausmädchen angeflattert kam, standen da und wollten ihr Kind zur Begrüßung umarmen. Aber nachdem ich sie einmal gepackt hatte, hatte ich vergessen, sie wieder loszulassen. (Im Umgang mit Frauen eine gute Regel, in dichtem Gedränge allerdings schwer zu befolgen.) Wahrscheinlich sahen ihre ehrwürdigen Eltern Helena Justina zum erstenmal im Leben leichenblaß und schweigsam an die Brust eines schlecht rasierten Schurken gepreßt, der wilde Blicke um sich warf und dabei mit einem blutigen Messer fuchtelte. Mit einer hastigen Geste entließ ich sie in die Arme ihres Papas.
Die Bestürzung darüber, daß er sie beinahe verloren hätte, hatte ihm für einen Moment die Sprache geraubt.
Ich saß zitternd auf dem Rand eines großen Blumenkübels, während sie über Helena Justina herfielen. Da mir für den Schrecken, den sie ausgestanden hatten, niemand Vorwürfe machen wollte, bekam sie alles ab. Helena schien so betäubt, daß sie gar nichts erwidern konnte. Ich sah einfach zu, war aber an meine Beschützerrolle inzwischen anscheinend so gewöhnt, daß es mir peinlich war, untätig herumzusitzen.
»Gut gemacht, Falco!« Ihr Vater kam zu mir herüber. Ich stand auf. Im Tonfall eines Mannes, für den meine Antwort bares Geld bedeutete, fragte er: »Alles gutgegangen auf eurer Reise?«
»Oh, die Geruhsamkeit der Reise entsprach dem mäßigen Honorar!«
Helena warf mir einen verschlagenen Blick zu. Ich sah zum Abendhimmel auf wie jemand, der einfach müde ist.
Wegen des Mannes, den ich getötet hatte, ließ Decimus den Prätor benachrichtigen, und in kürzester Zeit wurde die Leiche vor seinem Haus auf Staatskosten entfernt. Ich hörte nichts mehr von diesem Zwischenfall.
Was die Schurken gewollt hatten, darüber bestand kein Zweifel: als sie plötzlich alle rannten, hatten sie unser Gepäck dabei.
Ich stellte einen Suchtrupp zusammen, und nach kurzer Zeit waren die Sklaven von Camillus mit unseren Sachen wieder zurück. Nur zwei Straßen weiter hatten die Räuber sie fallen lassen. Ich stellte einen Kerzenleuchter auf den kühlen Kachelboden in der Vorhalle, kniete mich hin und begann, jedes Gepäckstück systematisch zu untersuchen; Helena hockte sich zu mir und half. Während wir die Sachen durchsahen, sprachen wir miteinander in dem gedämpften Ton von Leuten, die wochenlang zusammen gereist sind. Ihre Mutter warf uns einen nervösen Blick zu, aber wir waren zu beschäftigt, um uns darum zu kümmern. Jeder, dem wir unterwegs begegnet waren, hatte sich die eigene Langeweile damit vertrieben, daß er sich einen Skandal ausmalte; wir hatten uns angewöhnt, nicht darauf zu achten. Trotzdem spürte ich, daß Julia Justa etwas gegen mich einzuwenden hatte, und mußte lächeln: die elegante Mutter meiner stolzen jungen Dame war genauso hinter ihr her wie meine Mutter hinter mir.
»Es ist kaum etwas durcheinandergeraten; und nur sehr wenig fehlt«, sagte ich zu Helena und in einem Ton, als wären wir Partner und würden diesen Fall gemeinsam lösen.
»Die Briefe meines Onkels –«
»Keine Katastrophe. Eigentlich gleichgültig – er kann noch einmal schreiben.«
Aber noch etwas fehlte. Etwas, das mir gehört hatte.
In dem Augenblick, als ich es bemerkte, muß Helena zu mir herübergesehen haben. An ihrem Blick erkannte ich, daß ich bleich geworden war.
»Oh, Falco
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