Silberschwester - 14
Diener
sahen ihn im Keller, aber niemand hört auf sie. Das könnte etwas sein.«
»Könnte …«,
stimmte sie nachdenklich zu und fragte sich, ob vielleicht ihr Traumausflug den
Aufruhr erregt hatte. Jedenfalls könnte man da ansetzen. »Ich habe eine
Freundin, die in dem Haus wohnt … Vielleicht, mit ihrer Hilfe …«
»Ich bin
dabei, um meine Ehre reinzuwaschen«, rief er. »Denk daran«, fuhr er fort, ihr
stummes Nein mit dem ernsten Blick seiner dunklen Augen erwidernd. »Die Regosi
sind Diebe, die rasch, lautlos arbeiten. Du wirst derlei Können brauchen.«
»Gut«, sagte
sie schließlich. »Aber ich kann dich für deine Dienste nicht bezahlen,
Meisterdieb.«
»Ein
Tauschhandel, ja, Können um Können«, grinste er, ihren ironischen Ton
ignorierend. »Du machst mir dafür eine Kette mit einem Zauber meiner Wahl.
Abgemacht?«
»Abgemacht«,
sprach sie und schüttelte ihm zur Bekräftigung fest die schmutzige Hand.
»Halte deine Fackel höher!«, zischte
Shallisa, als sie mit Dab die steile, schmale Treppe hinabschlich, die zu den
Ateliers im Keller des Steinernen Hauses führte. »Der Hintereingang für
Dienstboten und Lehrlinge«, hatte Mirga gesagt, als sie ihnen einen Weg durch
das Gewirr dieser unterirdischen Gänge beschrieb. Sie hatte sich ihnen um
keinen Preis anschließen wollen, aber Shallisa war, da sie wusste, wie schlimm
es ihr erginge, wenn sie dort erwischt würde, nicht weiter in sie gedrungen …
»Jetzt sind
wir unten«, flüsterte Dab und nahm, genau nach Mirgas Anweisung, den Gang zur
Linken, nicht ohne Shallisa Zeit zu geben nachzukommen …
So großmäulig
der Bursche auch war – an der ersten Tür schon bewies er seine Qualitäten: Im
Nu hatte er das Stück Draht, das er aus seiner Gürteltasche nahm, ins Schloss
eingeführt, dann ein leises Klicken, eine Drehung – die Tür war auf! Als sie da
die erste der unterirdischen Kammern betraten, spürte sie eine irgendwie
elektrische Wärme in den Händen …
»Ja! Das ist
einer der Räume aus meinem Traum«, flüsterte sie, schon mehr aus Aufregung als
aus Angst.
Dann übernahm
sie die Fackel und die Führung und rauschte so rasch, wie Dab nur die Türen
öffnen konnte, durch dieses und die nächsten beiden höhlenartigen Gelasse. Kein
einziges Mal hielt sie an, um die in den verschiedensten Fertigungsstufen
befindlichen Wunderwerke zu bestaunen, die da auf Werkbänken und Regalen
standen – nein, sie beschleunigte ihren Schritt, dass Dab sich sputen musste,
um nachzukommen.
Als sie
endlich in die letzte der großen äußeren Werkstätten trat, kribbelten ihre
Hände bereits erheblich. Die Erwartung schwang in ihr wie Glockengeläut. Aber
als sie zu der Stelle kam, wo besagte Tür hätte sein sollen, war da bloß eine
fest gemauerte Wand.
»O nein!«,
rief sie. Sie war sich so sicher gewesen, dass der Eingang dort sei. Wie war
das möglich?
»Was ist
los?«, flüsterte Dab verdutzt und besorgt.
»Die war hier.
Da bin ich sicher«, flüsterte sie und fasste nach der Mauer aus groben Quadern
… halb hoffend, dass die sich als Trugbild erwies. Doch sie fühlte sich unter
ihren tastenden Fingern recht real an … aber irgendetwas schien damit nicht zu
stimmen. Doch ehe sie ihrem Gefühl nachgehen, der Sache auf den Grund gehen
konnte, rissen der Klang einer ihr vertrauten Stimme und das Aufflammen einer
Lampe sie aus ihrer tiefen Konzentration …
»Dein
Lapiskätzchen verloren, Katzenauge?«
»Maldor!«,
rief sie, fuhr wutentbrannt herum und starrte den Steinmetzmeister an. »So,
dann hast du sie also gestohlen!«
»Nicht doch,
schönes Katzenauge, aber ich wollte schon, dass du hierher kommst!«
»Aber wieso?
Ich verstehe das nicht.«
»Hast du dir
nie Gedanken über deinen Vater gemacht?«, fragte er sie und maß sie mit einem
beunruhigenden Blick.
»Nicht du …«
»Nein, nicht
ich«, sagte er, traurig auflachend, »aber nicht mangels Versuchen. Doch Nizirä
war der bessere Mann, fürchte ich, und das in vieler Hinsicht. Was sich,
leider, auf lange Sicht aber eher als Nachteil denn als Vorzug erwies.«
Nizirä!
Sie bekam
große Augen, als sie den Namen wieder erkannte. Mit hartem Blick musterte sie
den Steinmetz dann lange. Dab zog, als er das sah, eine kurze, breite Klinge
aus seinem Stiefel und ging in Verteidigungsstellung. Aber sie hieß den Jungen
mit jäher Handbewegung, die Klinge zu senken, und fragte: »Was ist aus meinem
Vater geworden? Ist er tot?«
»Nicht mehr
als Stein«, erwiderte Maldor mit
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