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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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antwortete George.
    »Annie«, korrigierte Colette.
    George beachtete sie nicht weiter. Er sah nur nervös zu, wie die Flut den Hang hinaufkletterte. Für einen Moment zog sie direkt über die Stelle hinweg, an der sie sich ursprünglich unter der Kulisse versteckt hatten, und George war dankbar, dass Colette ihn so weit hinaufgetragen hatte. Dann ließ sie nach. Zwar ergoss sich der Fluss noch immer über die Trümmer des Damms, doch strömte er nun längst nicht mehr so gewaltsam dahin wie zuvor.
    »Er ist da unten«, sagte George.
    »Wer?«, fragte Colette.
    »Mein Vater.«
    Sie musterte ihn besorgt. »Harry ist tot, George. Wir haben ihn sterben sehen.«
    »Silenus ist nicht mein Vater, Colette.«
    »Was? Machst du Witze?«
    George schüttelte den Kopf.
    »Wer ist es dann?«
    Er starrte die Pappe an, die er immer noch in der Hand hielt, und Stanleys letzte Botschaft, die auf ihr geschrieben stand. Sie folgte seinem Blick und wusste plötzlich, was in seinem Kopf vorging. »Ist … ist das dein Ernst?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte er. »Harry und Stanley sind verwandt, genau wie du gesagt hast, aber Harry war nicht mein Vater. Sie haben mich und alle anderen von Anfang an belogen. Ich weiß nicht warum, noch nicht, aber er ist da unten. Ich kann es spüren.«
    »Wie?«
    »Ist dir je aufgefallen, dass in Stanleys Gegenwart alles irgendwie ruhiger zu sein schien? Dass es manchmal einfach schön war, sich zu ihm zu setzen. Oder dass er allem einen Sinn einhauchen konnte?«
    »Ich … ich glaube schon«, sagte sie.
    »Das ist die Weise. Das sind all die Teile der Ersten Weise, die er in sich trägt. Ich war nur zu dumm, es zu erkennen. Aber jetzt weiß ich, wonach ich Ausschau halten muss. Ich kann sie in ihm fühlen.« Er steckte das Stück Pappe in die Tasche. »Ich war so gemein zu ihm … Nie habe ich mich für die kleinen Dinge bedankt, die er mir zuliebe getan hat. Ich hatte keine Gelegenheit, ihm zu sagen, dass ich ihn liebe. Oder ihn überhaupt zu lieben.« George erhob sich.
    »Was hast du vor, George?«, fragte Colette.
    »Ich muss ihn suchen. Wenn es auch nur die kleinste Chance gibt, dass er noch am Leben ist, muss ich es versuchen.«
    »Noch am Leben?«, wiederholte Colette. »Was meinst du damit, noch am Leben?«
    George dachte daran, wie Stanley ihn angesehen hatte, ehe er ihm die Pappe gegeben hatte. Das war der Blick eines Mannes gewesen, der bereit war, dem Tod ins Auge zu sehen. Wo immer Stanley hingegangen war, er hatte nicht damit gerechnet, von dort zurückzukehren.
    »Warte hier«, rief George und lief den Hügel hinab.
    In tieferen Lagen bot der Wald ein sumpfiges, nasses Bild des Zerfalls. Es war unmöglich, auch nur zehn Fuß weit zu gehen, ohne von dem Wasser, das von oben herabtroff, durchnässt zu werden. Bäume und Sträucher waren entwurzelt oder umgestoßen worden, und an manchen Stellen war von dem Wald weiter nichts als eine meterweite Fläche von dunklen, ineinander verhedderten Ästen übrig. Streifen angespülten Laubs kennzeichneten die Ränder des Stroms und schufen bizarre kleine Pfade am Boden oder sonderbare Abzeichen auf Bäumen. Vom Rauschen des fernen Flusses abgesehen, herrschte vollkommene Stille.
    Dann hörte George etwas, ein Klirren wie von Metall. Er stellte fest, dass es aus der Richtung erklang, in der er die Weise wahrnahm, und er bahnte sich einen Weg durch das Gewirr aus Ästen.
    Als er ihn sah, wurde er langsamer und blieb schließlich stehen. Er stöhnte verzweifelt, und seine Hände schossen an seine Stirn. Dann ging er weiter, um einen besseren Blick auf das zu bekommen, was da von der geborstenen Kiefer herabhing.
    Stanley hatte sich, wie es schien, an den Stamm angekettet, und die Kette hatte etwas zu gut gehalten. Sein Vater hing kopfüber von den verdrehten Ästen der Kiefer herab. Seine Arme waren sonderbar abgewinkelt, und ein Streifen Blut kennzeichnete die Stelle, an der die Kette ihn immer noch umfing. Dann sah George, dass sich seine Lippen bewegten, und da wusste er, dass sein Vater noch am Leben war.
    Mit einem Aufschrei rannte er los, um ihn aus der Kiefer zu befreien. Die großen, dunklen Augen seines Vaters suchten blind nach ihm, hörten sein Bestreben, und er versuchte, mit einer Hand nach seinem Sohn zu greifen. »Nicht bewegen. Bitte, nicht bewegen«, sagte George, löste die Kette von dem letzten Ast und hob seinen Vater herunter.
    George legte ihn auf den nassen Fels am Flussufer. Jetzt, da er ihn in den Armen hielt, konnte sich George

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