Silicon Jungle
den Film Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück .«
Dekan Chaff wiegte sich ausdruckslos auf seinem Stuhl vor und zurück.
»Um diese einfache Empfehlung zu erhalten, haben wir ausgerechnet, dass Sie höchstwahrscheinlich eine Frau zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig sind«, sagte er und zeigte auf eine der Zeilen über der Empfehlung. »Dann sind wir die Schauspieler in diesen Filmen durchgegangen und haben sie mit ähnlichen Schauspielern abgeglichen.« Er deutete wieder auf eine Zeile. »Wir sind die Filmgenres durchgegangen, die Regisseure, die Kritiken von Zuschauern und von Profis, und aus der Synthese all dieser Informationen haben wir die Filme ermittelt, die Ihnen besonders gefallen könnten.«
Noch immer keine Reaktion von Dekan Chaff, nur der Stuhl quietschte von der schaukelnden Bewegung.
»Nennen Sie mir doch ein paar Filme, die Sie gut finden, und dann schauen wir mal, was das System Ihnen empfiehlt.«
Ohne zu zögern sagte Dekan Chaff: »In alphabetischer Reihenfolge sind meine drei Lieblingsfilme Apollo 13 , Contact und Unheimliche Begegnung der dritten Art .«
Professor Aore gab die Titel eilig ins System ein.
»Das System hat ausgerechnet, dass Sie vermutlich männlich sind – 88 Prozent Wahrscheinlichkeit – und älter als fünfundvierzig – 64 Prozent Wahrscheinlichkeit. Es empfiehlt Ihnen 2001: Odyssee im Weltraum .«
Dekan Chaff nickte beifällig im Rhythmus seiner Wiegebewegungen. »Den hab ich allerdings schon gesehen«, sagte er. »Was noch?«
» Battlestar Galactica?«
Wiegen und Nicken wurden merklich schneller. »Im Ernst? Original oder Remake?«
Professor Aore wandte sich wieder dem Bildschirm zu, bemüht, seinen rasch wachsenden Ärger in Schach zu halten. Als er sah, dass auf dem Bildschirm kein Hinweis darauf zu finden war, welche Version des Films empfohlen wurde, schlug sein Ärger in Besorgnis um.
»Remake«, riet er, und merkte, dass seine Stimme zitterte.
»Gut gemacht!«, sagte Dekan Chaff begeistert, wobei ihn weder die mathematischen Grundlagen des Systems beeindruckten, noch die Möglichkeit, es an ein Dotcom-Unternehmen verkaufen zu können. Stattdessen sah er eine Pipeline vor sich, die beträchtliche Summen an Fördergeldern von der NSA zum College of Computing des Georgia Institute of Technology transportierte.
»Lässt sich das System auch für etwas anderes einsetzen als für Filmempfehlungen?«
»Selbstverständlich«, entgegnete Professor Aore trotzig, als wäre gerade der Intellekt seiner gesamten Familie über Generationen hinweg beleidigt worden. »Die Mathematik dahinter ist solide. Natürlich lässt es sich auf alle möglichen Daten anwenden.«
»Perfekt, ich möchte, dass Sie und Professor Mikens Fördermittel bei der NSA beantragen – um ihnen bei der Jagd nach Terroristen zu helfen. Ich denke, das ist genau das, was die brauchen …«
Wenige Monate später hatten Professor Aore und Professor Mikens ihre Algorithmen adaptiert und Forschungsmittel bei der NSA beantragt. Sie hatten vorgeschlagen, eine straff gesteuerte morphologische Analyse der Websites bekannter Terrororganisationen und deren Unterstützer durchzuführen. Dazu hatten sie einzelne Wörter, typische Phrasen und Ausdrucksweisen, die sie auf Flugblättern, Zeitungen und Websites aus aller Welt gefunden hatten, abgeglichen. Auf Grundlage der am häufigsten genannten erstellten sie eine Liste mit Büchern, Autoren, Pamphleten und Internetangeboten, die aktiv überwacht werden sollten. Es war im Prinzip nichts anderes, als die richtigen Filmempfehlungen zu finden. Die NSA musste nun lediglich die Leute ausfindig machen, die die Pamphlete lasen, die Bücher besaßen oder die entsprechenden Websites besuchten, den Rest würden Professor Aores Algorithmen übernehmen.
Nach Auslauf der Fördermittel bot die NSA den Professoren Aore und Mikens ein Anschlussprojekt an. Diesmal sollten sie ein Tool entwickeln, das selbstständig hinter den sicheren Mauern der NSA einsetzbar war, ohne dass die Professoren hinzugezogen werden mussten. Das Verfahren sollte mit einer vertraulichen Liste von aktuell überwachten, aber weitaus weniger bekannten Websites wiederholt werden. Die Leitung des Projekts übernahm Rajive.
Das Programm analysierte den Inhalt der Websites und glich ihn mit einer Liste von Büchern ab. Daraus entstand Kandidatenliste-72, eine Liste von Büchern mit den größten Übereinstimmungen zu den Dokumenten, die das gemeinsame Programm von NSA und NCTC
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