Silicon Jungle
Ubatoo übernommen zu werden, mehr nicht. Ich hab bloß versucht, irgendwas Bedeutendes zu machen. Und dachte, dass Sebastins Arbeit bedeutsam sei. Sie hätten Atiq auf der Party mal hören sollen. Ich wollte bloß …«
»Beten Sie, Stephen?«, unterbrach ihn Rajive. »Wenn nicht, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen. Sie sollten beten, dass Sebastin Ihre Liste nicht weiterverkauft hat.« Rajive stand schon in der Tür. »Außerdem würde ich Ihnen empfehlen, sich karrieremäßig neu zu orientieren.«
FÜR ADAM
11. August 2009.
Kein widerlicher Gestank. Keine Visionen von herumliegenden Leichen in seinem Hotelzimmer. Es war zwar nicht das Bellagio, aber es ging. Neunzig Meilen von Las Vegas entfernt, in einem heruntergekommenen Kasino nicht weit vom Valley of Fire State Park – sein Zuhause für die nächsten paar Tage.
Sebastin saß in der Lounge, wo die Kellnerinnen in ihren knappen Outfits dafür sorgten, dass er immer genug zu trinken hatte und die Aufmerksamkeit bekam, wie er sie sich wünschte. Er hatte großzügig Trinkgelder verteilt, doch bevor er auf eines der weitreichenden Angebote eingehen konnte, musste das Geschäftliche erledigt werden. M. Mohammad würde bald da sein.
Mohammad hatte sich nur ungern bereit erklärt, ausgerechnet in der größten Sommerhitze durch die Wüste zum Valley of Fire zu fahren. Aber es war Sebastins einzige Bedingung, auf der er wirklich bestanden hatte. Er wollte nicht gefunden werden. Wenn Rajive noch nicht nach ihm suchte, dann ganz sicher bald. Die Liste hatte er Mohammad bereits ausgehändigt und hatte das Geld von ihm erhalten. Es war nicht viel, aber es war mehr, als Rajive bezahlt hätte. Sebastin konnte jetzt nicht mehr zurück. Nie wieder Kalifornien, nie wieder Partys im Il Fornaio , nie wieder Interviews über die ACCL . Nie wieder. Ab jetzt war er auf der Flucht. Er brauchte nur noch ein bisschen mehr Bares, um es sich einigermaßen gutgehen zu lassen. Auch dann war er längst nicht so reich wie Mark oder auch Elizabeth und Nate, aber es würde gehen. Wäre er damals gerecht behandelt worden, hätte er sich auf all das überhaupt nicht eingelassen.
Als M. Mohammad hereinkam, ließen die schamlos gaffenden Blicke der Stammgäste und Touristen Sebastins Herz höher schlagen. Mohammad wartete reglos, bis seine Augen sich an das Dämmerlicht und die Neondisplays an der Decke gewöhnt hatten, ehe er auf Sebastin zusteuerte.
Sebastin stand auf, eine Hand ausgestreckt, um ihn zu begrüßen. Mohammad setzte sich einfach an den Tisch.
Auch Sebastin nahm wieder Platz, lächelnd. Natürlich würde Mohammad ihm nicht die Hand schütteln. Das hätte er sich denken können. Mohammad blickte ihn verächtlich an.
»Was ist das hier für ein Lokal, Sebastin? Wieso haben Sie mich hierher kommen lassen?«
»Sie wollten sich doch mit mir treffen«, erwiderte Sebastin mit frischem Mut. Er wusste, dass alle um ihn herum seine Leute waren – auch wenn er sie nicht kannte. Sie standen auf seiner Seite, nicht Mohammads. Das hier war zwar nicht gerade der Times Square, aber es waren genug Leute da, damit Mohammad nicht mehr tun konnte, als still vor sich hin zu schäumen.
»Ich habe keine Liste von Ihnen bekommen, Sebastin.«
»Sie haben die Liste bereits. Ich habe sie Ihnen vor zwei Wochen gegeben«, sagte der nach einer langen Pause.
»Das hier ist kein Spiel, Sebastin. Wo ist die zweite Liste?«
»Die mit den Finanzinformationen? Meinen Sie die?«, fragte Sebastin arglos.
»Ja, Sebastin. Genau die meine ich«, erwiderte Mohammad hart. Sebastin nahm an, dass er sich ausmalte, was er mit ihm anstellen würde, wenn sie allein wären.
Sebastin sah sich im Raum um und winkte eine Kellnerin heran – die älteste, faltigste und verrauchteste, die er entdecken konnte. Er wartete, bis sie bei ihnen war, und bestellte noch einen Drink.
Die Kellnerin blickte Mohammad an, dann wieder Sebastin. »Und Ihr Freund hier? Was trinkt der?«
Sebastin riss den Blick von der Kellnerin los und sah Mohammad an. »Ich weiß nicht. Fragen Sie ihn doch selbst?«
Anstatt zu antworten, warf die Frau ihm noch einen Blick zu und ging wieder. Normalerweise hätte ihr Verhalten Sebastin empört, doch nun empfand er klammheimlich Freude darüber.
»Sie bekommen Ihre Liste, sobald ich sie habe.«
»Wann?«, flüsterte Mohammad, die Geräuschkulisse aus Geplauder und Gelächter, Münzengeklimper an den Spielautomaten und dem schrillen Gerassel der Videopoker-Geräte
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