Silicon Jungle
Verteidigungsbehörde angezapft, die derzeit Forschungsarbeiten über den Nahen Osten und das Internet förderte.
Das Thema hatte nichts mehr mit Migration in Afrika zu tun. Dennoch fand Molly, dass sie damit ihren eigenen Ansprüchen gerecht wurde. Falls man ihr freie Hand ließ, würde sie langfristig mehr für die Welt tun können als mit ihren früheren Forschungsideen und wesentlich mehr als mit ihrem persönlichen Einsatz im Friedenskorps. Es war ein idealer Kompromiss, einer, bei dem beide am Ende das Gefühl hatten, sich durchgesetzt zu haben.
EINE UNTERTREIBUNG
1. Juni 2009.
Heute war der erste offizielle Tag seines Praktikums. Stephen kannte sich gut genug, um zu wissen, dass er, wenn er erst bei Ubatoo angefangen hatte, unweigerlich in seine alten Gewohnheiten zurückfallen würde: zu wenig Schlaf, zu viel Koffein und das völlige Fehlen von jeglichem »Ausgleich«, auf den er sogar mit Verachtung herabblicken würde. Für seine Arbeit würde er ohne weiteres alles andere in seinem Leben vernachlässigen. So war er schon als Student, als Doktorand und dann als Chef seiner Firma gewesen, und er würde fraglos wieder so werden.
Einen bedeutenden Unterschied zu früher gab es allerdings schon. Seit der Ubatoo-Party hatten Molly und Stephen es irgendwie geschafft, jeden Tag mindestens ein paar Stunden zusammen zu sein. Häufig saßen sie nebeneinander auf einem kleinen Sofa im Aufenthaltsraum von GreeneSmart und unterhielten sich angeregt über ihren jeweils »anderen Job« – Mollys Forschungsarbeit und Stephens anstehendes Praktikum. Schon nach wenigen Tagen ließen die Kollegen das Paar einfach in Ruhe. Ohnehin hatten die beiden keine engen Freunde bei GreeneSmart.
Die Zeit, die er Molly nun nicht mehr während der Arbeit sehen konnte, wurde hoffentlich dadurch aufgewogen, dass sie in dieser Woche zusammenziehen würden. Die Entscheidung war für sie beide mehr als naheliegend gewesen: Sie würden zusammenziehen, und zwar in Mollys Wohnung, da sie nur wenige Minuten zu Fuß von Ubatoo entfernt lag. Genau wie sie alles andere im Leben sehr bewusst taten, war auch dieser Schritt wohldurchdacht – wieso noch länger warten, wenn sie ihn letztendlich ohnehin tun würden?
Gleich nach seiner Ankunft bei Ubatoo wurde Stephen in eine große Cafeteria geführt, wo über ein Dutzend andere Praktikanten still und leise darauf warteten, von ihren Betreuern begrüßt zu werden. Er ging zu den anderen Data-Mining-Praktikanten, Aarti, William und Kohan, die bereits zusammensaßen.
Neben den üblichen Formularen, wie sie immer zu Beginn eines neuen Jobs auszufüllen waren, musste er außerdem ein neun Seiten umfassendes Dokument unterschreiben, das den Moralkodex von Ubatoo erläuterte. Wie alle anderen setzte Stephen seine Unterschrift darunter, ohne es vorher zu lesen. Dann kamen, wie in allen IT-Unternehmen, die Formulare über die Verschwiegenheitspflicht und das Wettbewerbsverbot. Sie legten fest, dass jeder Gedanke des Unterzeichnenden, ob nun nützlich oder nicht, von diesem Tag an Ubatoos Eigentum war. Auch in der Hinsicht sah Stephen keinerlei Probleme.
Das mit Abstand seltsamste Formular trug die Überschrift »Regeln und Bedingungen für den Datenzugang«. Es stellte kurz und knapp fest, dass Ubatoo das Recht besaß, ein Arbeitsverhältnis ohne Anspruch auf Entschädigung fristlos zu beenden, falls ein Mitarbeiter Daten, die Ubatoo über seine User sammelte, unerlaubterweise benutzte. Zu den Daten zählten unter anderem:
E-Mails
E-Mail-Reaktionszeiten
gelöschte E-Mails
E-Mail-Anhänge
Kontaktinformationen
Kontaktnutzungsstatistiken
Privatadressen
Arbeitsplatzadressen
explizit angegebene Adressen
aus Korrespondenzen automatisch gewonnene Adressen
geschlussfolgertes Alter
explizit angegebenes Alter
Geburtstage
Mädchennamen
Spitznamen
Sehgewohnheiten – Videos
Sehgewohnheiten – Internetfernsehen
Dauer der Online-Aktivitäten
Zeit zwischen den Online-Aktivitäten
angegebene Standortverläufe
Telefonnummern
automatisch erkannte Standortverläufe
Kalendereinträge
Online-Aktivitäts-Zeiten
persönliche Fotos
auf Fotos erkannte Gesichter
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auf Fotos erkannte Reiseziele
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