Silicon Jungle
fester. Sie erwiderte den Händedruck, aber nicht lange genug.
»Ich bin unsicher wegen Sonntag«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist … ich weiß nicht …«
Stephen griff nach ihrer anderen Hand. Doch sie zog sie zurück, sanft, aber entschieden. Sie standen einander gegenüber, er sah sie an, und sie sah zu Boden. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hätte wissen müssen, dass irgendwas passieren würde. Es lief einfach zu glatt. Immer, wenn es mal gut lief, passierte irgendetwas, das dem ein Ende bereitete.
»Ich meine, ich denke …«
Na los. Sag es. Bring’s hinter dich. »Was denn?«, sagte er schließlich, als er es nicht mehr aushielt. Seine Stimme brach, verriet mehr, als ihm lieb war.
Sie stand einfach nur da, hielt den Blick gesenkt. »Ich denke … ich denke, Samstag wäre besser als Sonntag«, sagte sie todernst.
Stephen stutzte. Molly hielt den Kopf weiter gesenkt, blickte ihn aber durch einen Schleier aus zerzaustem Haar gespannt an. Dann kicherte sie los, und er stöhnte auf.
»Das war ziemlich gemein, weißt du?«, sagte Stephen. Doch nachdem er jetzt wusste, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war – mehr als in Ordnung –, dauerte es nicht mal eine volle Minute, bis seine Gedanken wieder zu Ubatoo zurückkehrten.
Mary, eine ausgesprochen verhuschte Frau von, wie sie selbst behauptete, Ende dreißig, belauschte einige Augenblicke lang mit der diabolischen Genugtuung, etwas zu hören, was nicht für ihre Ohren bestimmt war, das Gespräch, das einen Gang weiter geführt wurde. Es hörte sich an, als würde die Frau gerade mit ihrem Freund Schluss machen. Er hatte es wahrscheinlich verdient, dachte sie, zufrieden mit den Bruchstücken, die sie aufgeschnappt hatte.
Mary bummelte durch den Laden, um ein paar Minuten totzuschlagen, ehe sie ihre nächste Besorgung machen musste. Sie machte einen Bogen um die Gänge mit den bunten Snacks. Keine Süßwaren, keine leckeren Fruchtdrinks. Sie durfte sich solchen Versuchungen nicht aussetzen. Stattdessen ging sie zu den Büchern, nahm das erstbeste Diätbuch, dessen glitzernder Umschlag ihr ins Auge fiel, und schwor sich, es gleich zu lesen, wenn sie nach Hause kam.
Sie hatte kein ernsthaftes Problem. Bloß ein paar Pfund zu viel. Vielleicht auch ein bisschen mehr als ein paar, aber richtig übergewichtig war sie nicht. Rationale Erklärungen für ihr derzeitiges Gewicht ließen sich leicht finden: keine Zeit, etwas Gesundes einzukaufen; die Portionen sind überall zu groß; keine Zeit zum Kochen; zu wenig Geld und zu viel Stress; so ist das eben, wenn man älter wird; keine Zeit für Sport und so weiter. Aber Mary wollte sich ändern. Der Spiegel war nicht mehr so freundlich, wie er es mal gewesen war. Aber wo sollte sie anfangen?
Zu Hause musste sie feststellen, dass das Buch ziemlich dick war und sie längst nicht mehr so motiviert, es zu lesen, wie noch im Laden. Sie überflog den Text auf der Rückseite und stellte enttäuscht fest, dass sie anscheinend eine ganze Reihe von Schritten würde einhalten müssen. Irgendwer hatte doch sicher eine einfachere Methode entdeckt. Was waren die neusten bahnbrechenden Diätkuren? Sie setzte sich an den Computer im Wohnzimmer. »Diäten«, »erfolgreiche Diäten«, »neue Diäten« – diese Suchanfragen lieferten mehr Informationen, als sie verarbeiten konnte. Aber sie gab nicht auf, sie musste wirklich abspecken.
Mary überflog die Liste mit Websites, die ihr angeboten wurden. Sie traute längst nicht allen und suchte in der Vielzahl an Informationen nach einem kleinen Körnchen Wahrheit. Sie klickte ein paar Links an, doch die aufpoppenden Versprechungen brachten sie keinen Deut weiter. Die Leute, von denen hier die Rede war, hatten echte Probleme. Und so viel wollte sie schließlich auch nicht abspecken.
Vielleicht konnte sie ja mit was Einfacherem anfangen, mit einem Abspeckprogramm für Anfänger. Sie gab »Diätpläne« ein und voilà , mehrere Vorschläge. Aber welcher war der Richtige für sie? Die Auswahl war einfach zu groß.
Noch eine Suchanfrage: »Diätpläne Testberichte«. Endlich wurde sie fündig – ausführliche Testberichte sowie Links, die sie zu entsprechenden Selbsthilfeforen weiterführten. Vielleicht würde sie dort Leute finden, die ähnliche Probleme hatten wie sie. Einem davon trat sie bei. Endlich! Leute, an die sie sich wenden konnte. Sie alle waren bereit, auf persönliche Fragen zu antworten und ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Sie
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