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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shumeet Baluja
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Der Elfenbeinturm der akademischen Welt war niemals so absolut gewesen wie die Welt, in der er sich hier befand.
    Was den kleinen Teil seines Lebens betraf, der sich knapp zwei Blocks vom Ubatoo-Gelände entfernt abspielte, so lief alles bestens. Er und Molly waren wie geplant zusammengezogen. Obwohl so ein zeitintensiver Job tödlich für die meisten Beziehungen gewesen wäre, fiel es nicht so sehr ins Gewicht, dass sie einander kaum sahen, da Molly genauso eingespannt war. In ihrer gemeinsamen Zeit sprachen sie selten über die Arbeit. Sie steckten beide zu tief in ihren jeweiligen Forschungen, um den anderen laufend auf den neusten Stand zu bringen. Es wäre einfach zu mühselig gewesen. Außerdem war ihre Beziehung noch jung, und die fünfundvierzig Minuten, die sie hatten, ehe sie einschliefen, vertrieben sie sich mit zahlreichen anderen, eindeutigeren Aktivitäten.

VERSTECKTE KAMERAS
    7. Juli 2009.
     
    Pink. Ein Ubatoo-Mitarbeiter, der rot wurde, war ein seltener Anblick. Normalerweise blieben entsprechende Themen ausgespart. Doch Yuris Gesicht verfärbte sich gerade pinkfarben, eine merkliche Abweichung von seinem ansonsten kalkweißen Teint. Er sprach sachlich und tonlos, aber seine Miene sprach Bände. »Pink. Das sind Leute, die nach Pornos suchen«, erläuterte er gerade.
     
     
    Yuri begleitete Stephen und Kohan zwar häufig auf ihren nächtlichen Spaziergängen übers Ubatoo-Gelände, doch fast jeder Versuch, ihn in ein Gespräch einzubeziehen, scheiterte. Yuri Wegovich blieb ausgesprochen still, und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Leere. Erst als Yuri auf einem dieser Spaziergänge unvermittelt kehrtmachte und eine ganze Meile zurück zu seiner Arbeitszelle sprintete, um auf dem Whiteboard rasch einen Gedanken zu notieren, der ihm anscheinend die ganze Zeit durch den Kopf gegeistert war, stellte Stephen seine anfängliche Erklärung für Yuris ständig ausdruckslose Miene in Frage – vielleicht war sie nicht einfach nur ein Anzeichen für einen leeren Kopf, sondern vielmehr für die unbekümmerte Selbstvergessenheit tiefer Nachdenklichkeit.
    In der fünften Praktikumswoche ergriff Yuri plötzlich von sich aus das Wort und sagte mit starkem russischen Akzent in einem kurios förmlichen Englisch: »Wenn wir diesen Spaziergang beendet haben, würde ich mich freuen, wenn ihr kurz Zeit für mich hättet.«
    Stephen und Kohan blieben wie angewurzelt stehen und starrten Yuri an, der reglos verharrte. Einige beklommene Momente später fügte er hinzu: »Ich habe auf vielen Spaziergängen euren Gesprächen über das, was ihr beide macht, gelauscht, und ich wollte es auch ausprobieren. Ich würde mich freuen, wenn ihr mir ein paar Minuten eurer Zeit schenkt, damit ich euch zeigen kann, was ich entworfen habe, wenn das okay ist.«
    Die Überraschung, dass Yuri sich in ihr Gespräch eingebracht hatte, überwog Stephens Bedürfnis, sich an seinen normalen Ablauf zu halten, und er widerstand dem starken Sog seines Mitternachtssnacks und Kaffeerituals. Stattdessen folgte er Kohan und Yuri zu dessen Schreibtisch.
    Yuri nahm eine Fernbedienung zur Hand, und sogleich leuchteten vier riesige LCD s reihum auf und stellten eine Karte dar, auf der die Umrisse von Kalifornien sichtbar wurden. Er vergrößerte mit einigen Mausklicks einen Ausschnitt, bis die Umgebung des Ubatoo-Geländes deutlich erkennbar war. Dann begannen alle Häuser eins nach dem anderen zu blinken und leuchteten rot, blau, grün oder in einer anderen Farbe, und schließlich war die ganze Bildfläche ein einziges Farbenmeer. »Rot bedeutet, dass da drin jemand gerade unsere Suchmaschine benutzt. Die Häuser sind blau, wenn gechattet oder eine E -Mail verschickt wird. Das satte Dunkelblau bedeutet, dass seit Stunden gechattet wird. Lila heißt, dass sich jemand unsere Fotoseite anguckt, und grün, dass gerade etwas mit einer unserer Kreditkarten gekauft wurde. Schwarz bedeutet bloß, dass wir über die Häuser keine Daten besitzen, aber viele sind das nicht mehr.«
    Sie schwiegen ein paar Sekunden, während Yuri die Kamera virtuell durch die Straßen eines Wohnviertels steuerte und weiter ins nächste – vorbei an Häusern, deren hell leuchtende Farben Auskunft über die derzeitige Internetaktivität der Bewohner gaben. Yuri stoppte bei einem beliebig ausgewählten Haus, das rot leuchtete, und klickte es an. Sogleich öffnete sich darüber eine Sprechblase, die sämtliche Suchanfragen und Bilder zeigte, die sich der dort wohnende User

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