Silver Moon
verstehen! Daher nehmt meine Worte und lasst sie auf euch wirken, denn ich weiß, dass der Tag kommen wird, an dem ihr auch ohne eine Erklärung sehen werdet, was wir längst wissen! Öffnet eure Herzen, dann bedarf es keiner Worte!«
Wir saßen benommen am Feuer und wollten mehr hören! Selbst Mia hing gebannt an Bobs Lippen. Eine unglaubliche Mystik hüllte uns ein, und doch wagte es keiner, weiterzufragen. Die Stille war machtvoll und berauschend. Ich wusste nicht, ob es an der Pfeife oder Bobs Erläuterung lag, aber seine Darstellung hatte mich ergriffen. Ich musste unentwegt an die angesprochene geliebte Person denken und kam nicht umhin anzunehmen, dass er Yuma meinte.
› Die geliebte Person führt seither nur noch ein halbes Leben‹ ,
hörte ich immer wieder in meinem Innersten. Die Worte hatten sich in mir eingebrannt und hallten beständig. Verwirrt blickte ich zu Yuma. Er spürte instinktiv meine Frage, auch unausgesprochen.
»Ich denke, wir können jetzt gehen, Tunkasila hat alles gesagt, was es zu erzählen gab!«, flüsterte er mir ins Ohr und wir verabschiedeten uns. Yuma griff nach meiner Hand und führte mich zurück zum Hof, immer näher an sein kleines Haus. Mir war noch immer ganz schummrig zumute. Fast so wie nach einer rasanten Karussellfahrt. Ich war froh, dass mich Yuma im Arm hielt, da ich ständig das Gefühl hatte, ins Leere zu treten. Erst, als wir gemeinsam auf seinem Bett saßen und ich mich entspannt hinlegen konnte, wurde ich wieder klarer im Kopf.
»Bob hat von dir gesprochen!«, sagte ich nach einer Weile überzeugt, bekam aber keine Antwort. Wiederum war Yumas Schweigen Antwort genug und ich wusste, dass ich richtiglag. »Dir geht’s aber gut, oder? Dir wird nichts geschehen … du, du …«
»Kira, mach dir meinetwegen keine Sorgen! Mir geht es gut, ja! Mit dir an meiner Seite geht es mir sogar ganz wunderbar – ich bin unbeschreiblich glücklich, so glücklich wie nie zuvor! Aber Tunkasila hat recht, weitere Worte würden an dieser Stelle mehr zerstören als helfen. Wenn du das Offensichtliche selbst erkennst, bist du auch so weit, um zu begreifen! Noch ist es nicht an der Zeit!«
»Aber wieso hast du nur ein halbes Leben? Was meint er damit? Meint er deine Lebensspanne, wirst du nicht alt, oder …«
Ehe ich meine Vermutungen weiter aufzählen konnte, hatte Yuma mich sanft an sich gezogen und küsste mich.
Mit einem Mal vergaß ich alle Sorgen, die noch eben mein Herz erfüllt hatten. Ich vergaß meine Bedenken, ich vergaß sogar Bobs Worte …
Selbst meine Umgebung verschwamm im süßen Rausch der Empfindungen, und ich erwiderte seine Küsse voller Hingabe. Mir war bewusst, dass mir in dieser Nacht wieder wenig Zeit mit Yuma bleiben würde, und statt sie mit Erklärungen und Fragen zu verbringen, wollte ich lieber seine Lippen spüren! Daher gab ich auf und ließ mich treiben. Ich wollte nur noch fühlen und genoss den Rausch, den er in mir erzeugte. Die Stunden mit ihm waren für mich das Kostbarste, was mir dieses Leben schenken konnte.
Nino
Die Nacht verging viel zu schnell. Die Ernüchterung erfolgte bereits am Morgen, als Yuma verschwunden war und ich alleine im Bett erwachte. Sein Platz war leer und kalt, also musste er schon vor einigen Stunden gegangen sein … aber wohin?
Bobs Erzählung drang wieder in mein Bewusstsein. Seine Anspielungen ließen mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Ich wollte wissen, welches Geheimnis sich um Yuma rankte, und ich wollte nicht eher aufgeben, bis ich endlich dahinterkam. Selbst als ich im Badezimmer unter der Dusche stand, grübelte ich unentwegt darüber nach, was es bedeuten konnte, dass Yuma nur noch ein halbes Leben hat. Es glich einem Rätsel, dessen Lösung ich einfach nicht fand. Bedrückt kehrte ich in die Stube zurück und stieß auf Sakima.
»Da bist du ja endlich, wo hast du nur so lange gesteckt? Ich habe mir schon Sorgen gemacht!« Sakima bellte und deutete in Richtung Küche; ich folgte ihm. Ein prall gefüllter Korb mit frischen Brötchen und allerlei Gebäck stand auf dem Tisch.
»Hast du das geholt?« Er nickte.
»Du willst wieder mit mir frühstücken, stimmt’s?«
Abermals nickte er. »Fein!« Ich fand es schön, mit Sakima am Tisch sitzen zu können, die Ruhe zu genießen, während ich ihm die Brötchen belegte und ihn fütterte. Das gemeinsame Frühstück mit ihm war der beste Start in den Tag, in seiner Gegenwart fühlte ich mich geborgen. Sogar die insgeheime Furcht, dass Vater uns hier auflauern
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