Silver Moon
sichelförmige Verbrennung davongetragen. Sie sieht aus wie ein Halbmond – du solltest dir die Verletzung besser mal ansehen, da er nicht in ein Krankenhaus will!«
»Wo ist unser Vater?«, fragte ich vollkommen regungslos.
»Er ist betrunken. Er lag in eurem Wohnzimmer und bekam noch nicht einmal mit, dass wir Kai holten.« Ich nickte nur. Typisch!
»Wie geht es Kai? Wie schlimm ist es?« Yuma zuckte mit den Schultern. »Ich bin kein Arzt, ich weiß es nicht! Er ist allerdings teilweise gelaufen und man kann mit ihm reden, aber du solltest wirklich zu ihm gehen; schließlich kenne ich keine bessere Krankenschwester als dich!« Ich schenkte Yuma ein klägliches Lächeln und folgte seinem Wunsch und meinem Herzen; wir gingen gemeinsam zu Kai, der inzwischen bei Anouk war. Er lag in ihrem großen Bett. Anouk saß neben ihm auf der Bettkante und sie wirkte sichtlich erleichtert, als sie mich kommen sah.
»Ich habe das Blut schon abgewaschen, aber ich weiß nicht, was ich mit der Verbrennung machen soll. Und am Hinterkopf hat er eine Wunde, bitte sieh danach!«, bat Anouk und machte mir Platz. Kai hatte die Augen geschlossen. Es sah im ersten Moment so aus, als würde er schlafen. Der sichelförmige Abdruck auf seiner linken Wange war unverkennbar. Der Schürhaken hatte sich tief in sein Fleisch gebrannt – eine Erinnerung, die er sein Leben lang behalten würde. Ich betastete gerade vorsichtig die Verletzung, als Kai leise zu sprechen begann. »Das feige Schwein hat von hinten zugeschlagen! Ich habe ihn nicht kommen gehört, konnte ihn nicht sehen! Ich weiß gar nicht, was er um diese Uhrzeit zu Hause gemacht hat. Ich Blödmann nahm an, er wäre in der Kneipe«, machte sich Kai selbst Vorwürfe und öffnete die Augen. Ich strich beruhigend über sein Haar. »Psst! Dreh dich bitte mal um! Ich möchte mir die Verletzung am Hinterkopf ansehen.«
Kai sagte nichts mehr und legte sich auf die Seite. Der Schürhaken hatte ganze Arbeit geleistet. Mein Bruder hatte eine schwere Kopfverletzung davongetragen, die im Grunde in die Hand eines Arztes gehörte. Sein dunkles langes Haar war am Hinterkopf mit Blut verklebt und die Wunde klaffte weit auseinander.
»Eigentlich müssten dir jetzt stellenweise die Haare abgeschnitten werden, um die Verletzung nähen zu können, aber ich werde weder das eine noch das andere tun!«, begann ich zu erzählen, als Kai mir in den Satz fiel: »Haare abschneiden, nie und nimmer – die bleiben dran! Das heilt auch so, mein Körper ist Wunden gewöhnt!«
Ich nickte zustimmend. »Anouk, hol bitte eine Schüssel und einen Eimer mit warmem Wasser! Wir waschen Kai das Blut aus den Haaren und hoffen das Beste. Ich hole derweil einen Verbandskasten, um die Brandverletzung im Gesicht zu versorgen.«
Anouk folgte meinen Worten schweigend und Yuma blieb bei Kai, während ich Wundsalbe und Desinfektionsmittel zusammensuchte. Dann verarzteten wir alle gemeinsam Kai und verbrachten die ganze Nacht in Anouks Häuschen. Keiner von uns schlief. Wir beratschlagten, wie wir Mia befreien könnten. Niemand hatte einen hilfreichen Einfall, alle Vorschläge führten ins Nichts. Kai wollte gleich am Morgen erneut zu Brock – aber das wäre sinnlos, da waren wir uns einig. Yuma bot wiederholt an, als Sakima bei Brock schnüffeln zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Mia wittern würde, war sehr groß, aber ich hätte es niemals zugelassen, dass er sich dieser Gefahr aussetzte!
Ich war strikt dagegen – leider als Einzige!
»Kira, so lass es mich doch versuchen! Ich schleiche von hinten an das Brockhaus heran, versuche unentdeckt zu bleiben und nur zu wittern, wo Mia ist! Sollte sie irgendwo bei Brock sein, werde ich es bemerken! Und ich schwöre dir, ich kehre sofort nach Hause zurück, ich werde nichts alleine unternehmen! Brock bekommt mich nicht zu Gesicht und auch nicht vor seine Flinte!«, redete mir Yuma gut zu. Mein Kopfschütteln ging nicht deutlicher. Ich saß stur auf der Bettkante und hatte nur ein Wort übrig: »Nein!«
»Und wenn er jetzt gleich bei Morgengrauen aufbricht? Brock schläft noch, nichts kann passieren! Sakima ist schnell zurück und wir wissen endlich, ob sich Mia im Brockhaus aufhält. Dann können wir gezielter nach ihr suchen. Wir haben ja gar keinen Anhaltspunkt und den werden wir auch ohne Sakimas Hilfe nicht bekommen!«, legte mir jetzt sogar Anouk nahe. Meine Antwort blieb die gleiche:
»Nein! Ich will nicht, dass Yuma geht!«
Selbst Kai begann nun, auf mich
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