Silver Moon
nickte schweigend.
Das Lagerfeuer brannte noch immer. Es knisterte romantisch in der Stille der Nacht. Robert Black Bird saß als Einziger auf einem dicken Baumstamm neben dem Feuer und achtete darauf, dass es nicht ausging. Er legte gerade Holz nach und sah überraschenderweise zufrieden aus, als er uns gemeinsam kommen sah.
»Ich dachte mir schon, dass ihr zwei zusammen seid – ich hatte da so ein Gefühl«, teilte er uns seelenruhig mit.
»Sind meine Geschwister noch da?«
»Ja, die schlummern friedlich in den Tipis. Mia ist mit Nino und ein paar anderen Kindern in dem großen bunten Zelt, auf das die Bären aufgemalt sind, und Kai teilt sich das kleinste Tipi mit Anouk. Lasst sie am besten schlafen. Ich habe ihnen gesagt, dass du bei Yuma bist!«, erklärte Bob. Ich fragte ihn nicht, woher er wusste, bei wem ich die vergangenen Stunden verbracht hatte. Sein allmächtiges Wissen überraschte mich schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Ich nahm seine Worte ebenso hin wie die von Yuma.
»Tunkasila, du kannst jetzt ins Haus gehen! Ich achte aufs Feuer!«, sagte Yuma und in Bobs Augen sah ich Unsicherheit aufblitzen. Er schaute kurz zum Himmel, ehe er sich wieder an Yuma wendete.
»Aber nicht lange, mein Junge! Die Nacht vergeht zu schnell. In einer Stunde bin ich wieder da, dann musst du gehen!« Yuma stand neben mir und nickte einsichtig. Ich verstand wieder einmal nicht, worum es hier überhaupt ging. Lediglich, dass mir nicht mehr als eine Stunde mit Yuma blieb, hörte ich aus dem Satz heraus. Das machte mich traurig. Dieselbe Traurigkeit sah ich auch in Yumas leuchtend braunen Augen. Bevor sich Bob auf den Weg zum Haus machte, gab er Yuma noch eine große Decke und klopfte ihm auf die Schulter. Yuma lächelte zaghaft und sah mich an.
»Ich muss nachher leider gehen, aber ein bisschen Zeit bleibt uns noch. Möchtest du dich mit mir ans Feuer kuscheln?«, fragte er und hielt mir die Decke ein Stück entgegen. Und ob ich das wollte.
Ich nickte schüchtern. Yuma schien sich zu freuen und legte mir sanft die Decke um die Schultern. Dann kroch er auch mit hinein. Gemeinsam setzten wir uns auf den großen Baumstamm neben dem Feuer. Ich spürte seinen Arm unter der Decke, der sich vorsichtig um meine Taille schlängelte und mich noch näher zu ihm zog. Ich ließ es geschehen und legte glücksselig meinen Kopf auf seine kräftige Schulter. So nah an Yumas Seite, eingehüllt in eine flauschige Decke, wurde mir augenblicklich warm. Aber nicht nur mein Körper wurde von der Wärme durchströmt, auch mein Herz.
Das Feuer loderte vor uns und warf seine Flammen in die klare Sternennacht. Es prasselte so verführerisch und ich kostete den süßen, holzigen Duft, der die Luft erfüllte. Hätte ich einen Wunsch gehabt, so hätte ich mir gewünscht, dass diese Nacht ewig währt. Bis zu jener Stunde, die ich in den Armen von Yuma verbrachte, hatte ich nicht geahnt, wie schön das Leben sein kann. Jetzt wusste ich, weshalb ich nie aufgegeben hatte und zu Hause all das Schlimme schweigend ertrug.
Es gab in dieser Welt etwas, für das es sich zu leben lohnte. Es gab etwas, das für jede Pein entschädigte und stärker war als jeder Schmerz. Etwas, das alle Qualen besiegen konnte. Und es gab einen Menschen, der mir zeigte, wie kostbar das Leben ist … Yuma, an den ich in diesen frühen Morgenstunden mein Herz verlor.
Das Brockhaus
Sonntagmorgen, es war kurz nach acht. Mia und Nino saßen am Küchentisch, während ich das Frühstück für uns machte. Es roch nach Hagebuttentee, frischen Brötchen, Eiern und Erdbeermarmelade. Nino und Mia unterhielten sich angeregt über das Dakota-Fest und ich selbst schwelgte ebenfalls in Erinnerungen an diese wundervolle Nacht, die leider viel zu schnell zu Ende gegangen war. Es musste kurz vor fünf gewesen sein, als Bob zu uns gekommen war und Yuma gebeten hatte zu gehen. Er folgte dem Wunsch seines Großvaters, obwohl es ihm genauso schwerfiel wie mir. Bob hatte sich noch eine Weile zu mir ans Feuer gesetzt, aber ohne Yuma war es nicht dasselbe. Er fehlte mir bereits in jener Minute, in der er gegangen war. Eine ungeahnte Sehnsucht breitete sich seitdem in mir aus, eine Sehnsucht, die stärker war als alles andere, was ich je zuvor in meinem Leben kennengelernt hatte. Yuma beherrschte meine Gedanken, mein Herz sowieso.
»Kira, kannst du mir bitte den Honig geben?«, fragte Mia und ich wurde aus meiner Erinnerung gerissen. Leicht benommen griff ich nach dem Glas Honig, das auf der
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