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Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.

Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.

Titel: Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Dreißig
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Reif springen sollte und sich zunächst weigerte, ging das Feuer plötzlich aus. Der Dompteur reichte den Ring nach draußen, wo er neu entzündet wurde, aber kaum gab er dem Tiger das Zeichen zu springen, als das Feuer wieder erlosch. »Warum winkst du denn dem Tiger?«, wollte Ruth von Simsala wissen.
    »Warum nicht?«, brummte der kleine Zauberer zurück. »Tut er dir nicht Leid? Ich jedenfalls mag nicht durch einen Feuerreifen springen müssen.« Nein, das mochte Ruth auch nicht. In der Manege hatten sie diesmal auf den Sprung verzichtet. Der Tiger und der kleine Zauberer waren's zufrieden. In der Pause schauten Ruth und Simsala, was Herr Martin trieb. Sie kamen sich wie Übeltäter vor und mussten kichern, denn sie ertappten ihn dabei, wie er sich eben über seine Schwester beugte und sie küsste. »Na, so etwas«, wunderte sich Ruth, »meinst du, Herr Martin ist vielleicht verliebt, und das ist gar nicht seine Schwester?«
    »Nee«, erklärte Simsala, der sich plötzlich wieder an das Weizensäen im Schulgarten erinnerte, »er ist nicht verliebt, er ist verlobt.«
    Herr Martins Verlobte kramte in ihrem Täschchen und förderte einen Lippenstift zutage. Sie schraubte ihn auf und wollte eben ihre Lippen entsprechend bearbeiten, da bemerkte sie, dass der Stift seine Farbe verändert hatte: Er war nicht mehr lachsrot, sondern leuchtend golden. Überrascht zeigte sie ihn dem Lehrer. Herr Martin sagte nur: »Simsala muss irgendwo im Zelt sein«, und ließ seine Augen wandern. Auf einmal entdeckte er ihn mit Ruth und ihrer Mutter. Die Kinder lachten zu ihm hinüber. Herr Martin wies streng auf den Lippenstift, den Fräulein Dorothea Haller eben wieder einpacken wollte.
    »Mach ihn noch mal auf«, sagte er dann zu seiner Verlobten, »ich denke, es ist jetzt alles wieder in Ordnung.« War es aber nicht. Zwar war der Stift nicht mehr leuchtend golden, aber auch nicht lachsfarben: Er war von einem satten Grün.
    Herr Martin seufzte. »Simsala kann's nicht besser«, sagte er, »das weißt du ja.«
    Fräulein Dorothea Haller dachte an den Rosenstrauß, den er ihr mitgebracht hatte, und lächelte verstehend. Herr Martin aber schaute noch einmal zu den Kindern hinüber. Die hatten eben von Frau Reiter eine dicke Portion Zuckerwatte spendiert bekommen und verschmausten sie mit Appetit. Als sie den Blick des Lehrers bemerk-ten, winkten sie ihm fröhlich zu. Herr Martin drohte Sim-sala, halb im Scherz, halb ernst, mit dem Zeigefinger. Und siehe da, auf einmal hatte auch der Lehrer etwas zu schnö-kern: Eine dicke Portion Zuckerwatte klebte an seinem drohend erhobenen Finger.

Gewöhnlich sein ist ziemlich schwierig
    Auf dem Heimweg konnte Ruth keinen Augenblick den Mund halten. Hatten die anderen auch all die tollen Sachen gesehen? Was hatte ihnen am besten gefallen? Die Löwen waren Ruth zu gefährlich, und auch vor dem Seiltanzen hatte sie ein bisschen Angst. Aber den Knoten in sich selbst machen, das traute sie sich schon zu. Heute Abend würde sie es vorführen. Und dann würde sie wahrscheinlich zum Zirkus gehen statt in die Schule. »Kommst du mit zum Zirkus, Simsala?«, fragte sie. »Du könntest auf deinem fliegenden Teppich herumkurven. Das würden die Leute sicher spannend finden.« Simsala ging still an der Hand von Frau Reiter. Auch ihm hatte der Zirkus gefallen. Aber nun reichte es auch. Nein, er hatte eigentlich keine Neigung, die Schule gegen den Zirkus zu vertauschen.
    Für den kleinen Zauberer wurde es erst richtig spannend, als er Ruths Mutter zuschauen durfte, wie sie in der Küche das Abendbrot bereitete. Das Tischaufdecken durchschaute er noch. So hätte er es auch gemacht, wenn er nicht zaubern könnte. Aber die kleinen Feuerchen auf dem Herd, das Wasser, das im Topf plötzlich anfing, kleine Blasen zu werfen und aus dem Frau Reiter Tee machte, indem sie farbige Blättchen hineinwarf, die Milch, die sie ebenfalls auf den Herd stellte, aus einer Tüte etwas hineinrührte und aus der auf einmal Grießbrei geworden war - all das war für den kleinen Zauberer überraschend neu und aufregend. »Du könntest schon einmal das Brot schneiden, kleiner Meisterkoch«, sagte Frau Reiter nun zu Simsala und drückte ihm das große, scharfe Brotmesser in die Hand. Ruth holte einen Brotlaib aus dem Schrank. Der kleine Zauberer musterte das Messer ängstlich. Wenn das sein Vater sähe! Aber Abra Kadabra Bim war in Indien, und seine Kristallkugel hatte er auf Feste Hokuspokus gelassen.
    Simsala nahm das Messer vorsichtig in

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