Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
Zettel liegen. Er hob ihn auf und las:
Lieber Herr Martin!
Es ist mir zu Ohren gekommen, dass Sie sich jetzt auch der Teppichfliegerei befleißigen und sogar Kinder aus Ihrer Klasse daran teilnehmen lassen. Bitte kommen Sie, ehe Sie morgen den Unterricht wieder aufnehmen, zu mir ins Rektorenzimmer.
Häusler, Rektor
»Donnerwetter, das kann ja heiter werden«, murmelte der Lehrer, und plötzlich dachte er an den Ausflug zur Feste Hokuspokus nicht mehr mit demselben Vergnügen.
Rektor Häusler äußert einen Wunsch
Am nächsten Morgen flog Simsala wieder zur Schule. Er wollte es noch einmal versuchen. Als er aber in die Klasse kam und dort statt seines geliebten Herrn Martin das Fräulein Lämmer fand, bedauerte er seinen Entschluss schon wieder.
»Herr Martin ist beim Rektor«, erklärte Fräulein Lämmer den Erstklässlern, »und wenn er nicht wieder zu euch kommt, dann unterrichte ich euch fortan.« Simsala schaute zu Ruth hinüber. Ob das mit ihrem Besuch auf Feste Hokuspokus zu tun hatte? Vielleicht war der Rektor böse auf Herrn Martin, und das nur, weil der Lehrer so nett war. Simsala musste ihm helfen. Aber wie? Nun, aus der Klasse herauszukommen, ist für einen Erstklässler ein Leichtes, und auch der kleine Zauberer kannte den Trick bereits.
»Ich muss aufs Klo«, meldete er sich und führte dazu vorsichtshalber das entsprechende Tänzchen auf. »Lauf«, gestattete Fräulein Lämmer ihm, »aber -« Simsala wusste schon, was noch kommen würde: dass es bestimmt zum letzten Mal wäre; das war es ja immer. Er wartete diesen Teil gar nicht mehr ab, sondern flitzte los. Die goldgerahmten Rektoren sangen immer noch an Ruths Geburtstagslied. Der kleine Zauberer achtete gar nicht auf sie. Auch der Gummibaum blieb diesmal unberücksichtigt; Simsala hatte keine Zeit. In großen Sprüngen eilte er die Treppe hinauf.
Vor dem Rektorenzimmer legte er die Stirn in Falten. Die Tür war extra gepolstert. Man konnte draußen kein Wort von dem hören, was drinnen gesprochen wurde; jedenfalls nicht, wenn man kein Zauberer war. Simsala aber war ein Zauberer.
»Es ist Notwehr oder sowas«, beruhigte er sein schlechtes Gewissen.
Dann machte er mit den Händen eine Bewegung, als ob er ein Stück Papier in der Luft zerrisse. Plötzlich war die Stimme von Rektor Häusler so deutlich zu vernehmen, als spräche er zu dem Jungen auf dem Flur. »Sie waren also auf Feste Hokuspokus, sagen Sie, lieber Herr Martin«, stellte der Rektor eben fest, »und Sie hatten ein Mädchen aus Ihrer Klasse bei sich.«
»Es war, wie gesagt, ein Krankenbesuch«, hörte Simsala seinen Lehrer sich verteidigen. »Ruth ist Simsalas Sitznachbarin und seine beste Freundin. Es war naheliegend, sie mitzunehmen.«
»Obwohl Sie nicht einmal genau wussten, wohin die Reise Sie führen würde, und obwohl Sie weder Fallschirm noch Feuerlöscher bei sich hatten«, sagte Rektor Häusler streng. »Wahrscheinlich waren Sie darüber hinaus nicht einmal angeschnallt. Wissen Sie, lieber Herr Martin, wie ich solch ein Verhalten nenne? Unverantwortlich nenne ich das, einfach unverantwortlich. Sie ruinieren das Ansehen der Schule.«
Simsala hörte schwere Schritte auf- und abgehen. Sein Lehrer schwieg.
»Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, mit Salami Bums Teppich zu fliegen?«, erkundigte sich der Rektor nach einer kleinen Pause.
»Er heißt Simsala, Herr Rektor«, berichtigte ihn der Lehrer geduldig, »Simsala Bim, und es war Ruths Idee, es mit dem Teppich zu versuchen. Der Junge hatte ihn im Klassenschrank zurückgelassen. Das Mädchen meinte, der Teppich würde den Weg zur Feste Hokuspokus wohl kennen, und sie hatte Recht.«
»Und Sie hatten gar keine Angst hinunterzustürzen und sich wer weiß was zu brechen?« fragte Rektor Häusler erstaunt.
»Gar keine«, erwiderte Herr Martin schlicht, »Ruth sagte, dass sie sich traute zu fliegen; da blieb mir sowieso keine andere Wahl. Ich konnte mich vor dem Mädchen doch nicht als Feigling aufführen.«
Eine ganze Weile lang war es still hinter der Tür. Dann hörte Simsala den Rektor sich räuspern, und auf einmal fragte er mit merkwürdig veränderter Stimme: »Sagen Sie mal, Herr Martin, Sie haben doch einen guten Draht zu dem Jungen. Meinen Sie, ich meine, natürlich nur, wenn wir ganz allein sind -«
Die Worte des Rektors verhaspelten sich rettungslos. » Sie möchten wissen«, half der Lehrer ihm erstaunt weiter, »ob ich mich bei dem Kind dafür einsetzen könnte, dass Simsala Sie auch einmal
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