Simulacron-Drei
fallen. Zuerst lächelte sie verlegen, dann lachte sie.
»Du hast mich erschreckt.«
Aber ich hatte ihren Namen ganz leise gesagt.
»Hast du irgend etwas?«
Sie trug ein schimmerndes, kremfarbenes Kleid mit tiefem Ausschnitt. Die gebräunte Haut hob sich von ihrem langen, dunklen Haar ab.
»Nein«, sagte sie. »Ich habe an – Vater gedacht.«
Sie sah zu der Tür seines Arbeitszimmers hinüber und schlug die Hände vors Gesicht. Ich stand auf und wollte sie trösten, stand aber dann einfach da, verwirrt von der Einsicht, daß irgend etwas nicht ganz stimmte. Ich konnte ihre Trauer begreifen, weil sie und ihr Vater nur einander gehabt hatten. Aber diese Gefühlsäußerung war ein merkwürdiger Rückfall in die Mitte des 20. Jahrhunderts.
Es hatte anders ausgesehen, bevor die Aufklärung eine andere Einstellung zum Tod brachte, und die Grausamkeit der Bestattungsgebräuche wegfegte. Damals hatte der Nachweis des Todes auf einer praktischen Ebene erbracht werden müssen. Menschen, die an Leichenwagen und Bestattungszeremonien teilnahmen, sahen und glaubten. Sie gingen mit der Überzeugung davon, daß der Betrauerte dieses Leben hinter sich hatte und Komplikationen durch das Auftauchen einer angeblich toten Person nicht eintreten würden. Daß die Angehörigen traumatische Defekte davontrugen, machte keinen Unterschied.
Als sich die Technologie jedoch durchgesetzt hatte, war der Nachweis des Todes sogar in so groben Techniken wie der Abnahme von Fingerabdrücken, der Einstufung und Überprüfung der Hirnrindenresonanz verfügbar. Die schmerzhafteste Gewißheit, die einer Familie zuteil wurde, bestand darin, daß sie erfuhr, es habe einen Todesfall gegeben und mit der Leiche sei entsprechend verfahren worden.
Was ich damit sagen will, ist, daß Jinx extremes Leid einfach nicht verständlich war, weil ich sie als normales Menschenkind gekannt hatte. Als sie mich kurz darauf in das Arbeitszimmer führte, fragte ich mich plötzlich, ob sie mich nur glauben machen wollte, daß ihre Trauer für den Tränenausbruch verantwortlich gewesen war. Verbarg sie mir einen wichtigeren Grund für diese Qual?
Sie deutete auf Fullers Schreibtisch.
»Bitte. Ich muß mich noch ein bißchen herrichten.«
Nachdenklich sah ich ihr nach, als sie das Zimmer verließ, groß, graziös und schön, trotz ihrer geröteten Augen.
Sie blieb lange genug fort, daß ich Fullers berufliche Hinterlassenschaft durchsehen konnte. Aber nur zwei Dinge erregten meine Aufmerksamkeit. Erstens fehlten in den überraschend dürftigen Aufzeichnungen, die auf dem Schreibtisch ausgebreitet und in zwei Schubladen gestapelt waren, einige zusammenfassende Berichte. Woher ich das wußte? Nun, Fuller hatte mir mehrmals erzählt, daß er zu Hause über die Folgen der Simulektronik im Sinne der menschlichen Erkenntnis arbeite. Über dieses Thema entdeckte ich nicht ein einziges Wort.
Zweitens war eine der Schreibtischschubladen, in der er die wichtigen Notizen aufbewahrt hatte, aufgebrochen worden. Was die Notizen selbst anging, so fand ich nichts von Interesse. Ich hatte damit allerdings auch nicht gerechnet.
Jinx kam zurück und setzte sich, ohne zu lächeln, auf den Rand des Sofas, die schmalen Hände um die Knie verschränkt. Ihr Gesicht wirkte wieder frisch, aber die Umrisse ihres Mundes verrieten wachsame Entschlossenheit.
»Ist alles so geblieben, wie Dr. Fuller es hinterlassen hat?« erkundigte ich mich.
»Niemand hat etwas angerührt.«
»Einige Aufzeichnungen fehlen«, sagte ich, sorgfältig auf ihre Reaktion achtend.
Ihre Augen weiteten sich. »Woher weißt du das?«
»Er hat mit mir über seine Arbeit gesprochen. Ich kann aber keine Unterlagen darüber finden.«
Sie sah – unsicher? – zur Seite, blickte mich wieder an.
»Oh, er hat sehr viele Papiere weggeworfen, erst letzte Woche.«
»Wo?«
»Er hat sie verbrannt.«
Ich wies auf die aufgebrochene Schublade.
»Und was soll das sein?«
Sie lächelte und trat an den Schreibtisch.
»Soll das ein Verhör sein?«
Ich lehnte mich zurück und sagte: »Ich versuche nur, ein paar Forschungsunterlagen zusammenzubekommen.«
Aber bevor ich etwas erwidern konnte, meinte sie impulsiv: »Machen wir eine Spazierfahrt, Doug.«
Ich führte sie zum Sofa zurück, und wir setzten uns nebeneinander.
»Nur noch ein paar Fragen. Warum ist das Schloß aufgesprengt?«
»Vater hatte seine Schlüssel verloren. Das war vor zirka drei Wochen. Er sprengte die Schublade mit einem Messer auf.«
Das war, wie
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