sind große Klasse
Grund genug zum Weinen, fand Trix. Eine andere hätte sich gefreut, auf Anhieb in der neuen Schule zu den drei besten Handballspielerinnen der Klasse zu gehören. Sie empfand es anders: als persönliches Versagen und als Gemeinheit der anderen. Sie war verzweifelt. Mamis letzter Brief trug auch nicht dazu bei, ihre Stimmung zu heben. Frau Fellner berichtete ausführlich davon, dass Tessie zum dritten Mal den Pokal ihrer Altersgruppe im Tennisclub gewonnen hatte. Und dass sie demnächst Werbefotos für Teenagerkosmetik machen würde. Auch das noch, dachte Trix und putzte sich die Nase mit Toilettenpapier. Dann konnte sie in Zukunft Tessies hübsches, strahlendes Gesicht in jeder Illustrierten bewundern und wurde noch öfter als sonst daran erinnert, was für eine großartige Schwester sie hatte und wie wenig sie selbst zustande brachte ...
Was ist mit Hanni los?
Am Freitagabend bekam Hanni Zahnschmerzen. Links unten hämmerte und tobte es, einfach ekelhaft.
„Nimm eine Tablette“, riet Nanni. „Das hilft bestimmt.“
Hanni nahm eine Tablette und anfangs half sie wirklich. Hanni schlief ein. Gegen vier wurde sie wach. Der Zahn führte sich auf wie ein böses, kleines Raubtier, das an ihr herumbiss und nicht aufhören wollte. Eine zweite Tablette half nicht. Um sechs Uhr war Hanni gewaschen und angezogen. Sie schlich die Treppe hinunter und spazierte durch den morgenfrischen Park. Ohne Zahnschmerzen wäre es wunderbar gewesen. Sie nahm sich vor, ein anderes Mal freiwillig so früh aufzustehen und über die taunassen Wiesen zu gehen. Aber wahrscheinlich würde es bei dem Vorsatz bleiben. Es war so angenehm, sich noch einmal im Bett umzudrehen und sich in die Kissen zu kuscheln.
Um halb sieben erschien die Hausmutter mit ihren zwei Helferinnen in der Küche, um zu frühstücken.
„Hallo“, lachte sie, „was treibt denn dich um diese Zeit herunter? Kannst du vor lauter Hunger nicht mehr schlafen?“ Dann sah sie Hannis verzogenes Gesicht und wurde ernst. „Ist etwas passiert? Bist du krank oder sonst jemand?“
Hanni ließ sich auf einen Stuhl fallen.
„Ich habe seit gestern Abend wahnsinnige Zahnschmerzen. Zuerst dachte ich, sie gingen mit einer Tablette weg. Es hat nichts genützt. Ich fürchte, da irgendwo links unten habe ich ein Loch. So, wie es sich anfühlt, muss es ein Krater sein, eine Miniausgabe vom Ätna. Seit vier konnte ich nicht mehr schlafen und da dachte ich, Sie hätten vielleicht etwas Besseres als eine harmlose Tablette.“
„Trink erst mal eine Tasse Tee, dann überlegen wir weiter“, meinte die Hausmutter und goss doppelt so viel Sahne hinein wie sonst.
Hanni trank und fühlte sich gleich ein bisschen besser. Nicht weil die Schmerzen nachgelassen hatten, sondern weil es hier in der Küche so angenehm und beruhigend war. Es duftete nach Tee und frisch gebackenem Weißbrot, nach heißer Milch und dem Obstkuchen von gestern. Außerdem hatte die Hausmutter etwas ungeheuer Tröstliches an sich. Dass sie von den Mädchen aus langer Tradition nicht mit ihrem Namen, sondern mit „Hausmutter“ angeredet wurde, mochte altmodisch sein. Doch sie war so mütterlich und herzlich, dass niemand das Wort komisch fand. Dabei konnte sie Haare auf den Zähnen haben, wenn es nötig war.
„Magst du ein Stück Kuchen?“, fragte die Hausmutter.
Hanni sagte nicht Nein, aber es schmeckte ihr nicht, vielleicht deshalb, weil sie nur rechts kauen konnte, links bereitete der Ätna gerade einen Vulkanausbruch vor.
„Haben Sie nicht irgendwelche Tropfen in Ihrem Giftschrank?“, bat Hanni. Die Schülerinnen nannten den Schrank so, in dem die Hausmutter ihre Alltagsmedikamente aufbewahrte. Ihre Spezialtropfen gegen Magenverstimmung zum Beispiel, die sie gern den Mädchen verabreichte, die nach einer Mitternachtsparty mit grünlichem Gesicht herumschlichen. Hanni scheute den hausmütterlichen Giftschrank normalerweise genauso wie ihre Freundinnen, aber heute war ihr alles recht. Hauptsache, die Schmerzen ließen nach und sie konnte am Nachmittag spielen. Wenn sie sich weiterhin so grässlich fühlte wie jetzt, würde sie kein einziges Tor werfen. Ach du lieber Himmel, was hieß da Tor! Sie würde herumstehen und sich und die Schule blamieren.
Die Hausmutter gab ihr ein Schnapsglas, das mit braunem Sirup gefüllt war.
„Es schmeckt scheußlich“, sagte sie, „aber vielleicht hilft es. Und jetzt leg dich noch eine Stunde hin.“
Der Sirup half nicht und aufs Hinlegen verzichtete Hanni. Um halb neun
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