Sind wir nun gluecklich
ansehen mussten, ist man schon nicht mehr zornig, uns ist auch nicht zum Lachen; diese Absurditäten machen uns schlicht fassungslos.«
So lächerlich und empörend es ist: Dieses Museum existiert, und es ist außerdem ein Ausdruck des geschichtlichen Selbstverständnisses eines Teils der Japaner. Es ist noch hinzuzufügen, dass ein großer Teil der im Museum gezeigten Propagandafilme sich nicht allein gegen China, sondern gegen ganz Asien und gegen die USA richten. Das haben in den letzten Jahren auch die Amerikaner begriffen und ihrem Unmut in zunehmenden Protesten Ausdruck verliehen.
Das dritte Element liegt etwa dreißig Meter vom Eingang zum Yushukan-Museum entfernt und zieht für gewöhnlich die Aufmerksamkeit der Besucher nur bedingt auf sich. Daher lassen sich auch weniger kritische Stimmen dazu vernehmen. Das darf aber nicht über seinen reaktionären Symbolgehalt hinwegtäuschen, der nicht geringer ist als der des Museums, mit dem zusammen es einer Form von Geschichtsklitterung dient, die sogar gültige Rechtsprechung verhöhnt.
Es handelt sich um eine Skulptur. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass es sich um den indischen Strafverteidiger handelt, der damals während des Tokioter Tribunals jeden einzelnen der japanischen Kriegsverbrecher verteidigte und auf »nicht schuldig« plädierte. Man kann sich gut vorstellen, was für eine Absicht dahintersteckt, eine solche Statue an dieser Stelle, praktisch als Patron des Museums zu errichten.
Die Verbindung von alledem zeigt, dass die im Inneren dieses Schreins zutage tretende Geschichtsauffassung nicht nur einen Affront gegen die ganze Welt, sondern auch gegen die Geschichte und gegen die Gerechtigkeit darstellt. Hier wird ganz offen und nachweislich der Geist des Militarismus beschworen, um einen Angriffskrieg im Nachhinein zu rechtfertigen. Es ist daher nicht genug, wenn lediglich China und Korea dagegen protestieren, weltweit sollte man daran Anstoß nehmen und Kritik üben.
Besonders bedenklich ist auch, dass eine Gruppe von ultrarechten französischen und britischen Politikern im August 2010 dem Schrein im fernen Japan einen Besuch abstattete. Damit setzten sie einen neuen Trend, der den Yasukuni-Schrein zu einer Pilgerstätte für die Ewiggestrigen macht. Allein diese Tatsache sollte die Shinto-Kultstätte unter die scharfe Beobachtung der für Gerechtigkeit eintretenden Kräfte in aller Welt stellen.
Zum Abschluss der Reportage wollte ich vor Ort noch ein Resümee dieses Besuchs ziehen, doch was sollte ich sagen? Als wir aus dem Tor zum Yasukuni-Schrein heraustraten, sahen wir uns in der Ferne sechs Schriftzeichen gegenüber, dem Namenszug der Tokioter Hochschule für Wissenschaft und Technik, die über deren Eingangstor prangten. Das Zeichen li für »Vernunft«, das einen Teil des Wortes »Wissenschaft« bildet, schien vor meinen Augen immer größer zu werden, es traf einen Nerv. Ja, das passte. Der Vernünftige geht überallhin, der Unvernünftige tritt auf der Stelle, wie wir zu sagen pflegen. Das gilt auch für den Umgang mit der Geschichte.
Auf dem Rückweg machte ich mir die ganze Zeit über Gedanken, ob es nicht sinnvoll sei, wenn jeder Chinese, sofern er die Gelegenheit dazu hat, sich diesen heiklen Ort in Tokio einmal ansehen würde, um sich von dieser Dreistigkeit persönlich zu überzeugen und diese Seite Japans kennenzulernen. Und auch, um selbst an Dinge gemahnt zu werden, die man nicht vergessen sollte. Vor dem Eingang zum Yasukuni-Schrein stehen zum Beispiel zwei Gedenksteine in Form von steinernen Laternen. Auf ihnen sind Reliefs eingemeißelt, die japanische Soldaten zeigen, wie sie in Siegerpose aus Bildern herausragen, die verschiedene Regionen Chinas symbolisieren. Man kann in ihnen lesen wie in einem Protokoll der uns zugefügten Erniedrigungen. Wer sich das als Chinese ansieht und sich die Grauen des Krieges immer wieder ins Gedächtnis ruft, wird daraus für sein eigenes Verhalten viel lernen können. Das nennt man die Geschichte zu unserem Lehrmeister machen.
In den Winterferien 2010 nahm ich meinen Sohn mit nach Japan, der inzwischen in der fünften Klasse war. Es war sein erstes Mal in Japan, und ich führte ihn bewusst zum Yasukuni-Schrein, um sich die Reliefs auf den Steinlaternen anzusehen, die für jeden Chinesen einfach ungeheuerlich waren.
Nachdem er es sich angesehen hatte, fragte mein Sohn: »Papa, darf ich ein obszönes Wort sagen?«
»Darfst du«, antwortete ich.
So zuwider uns die
Weitere Kostenlose Bücher