Sind wir nun gluecklich
anbieten, weil sie sonst denken, man unterstelle ihnen, sie seien alt und zu nichts zu gebrauchen. Wenn es einem allzu sehr in der Seele wehtut, nimmt man am besten zunächst Blickkontakt mit der älteren Person auf, um ein Einverständnis herzustellen, bevor man einen Platz anbietet.
Wir besuchten für unsere Reportage eigens ein Altenwohnheim. Die Wohnbedingungen waren sehr gut, aber eins muss man sagen: Die alten Leute dort zahlten ihr Bett in diesem Heim alle mit dem sauer verdienten Geld ihres ganzen Arbeitslebens.
Inmitten der vielen ergrauten Häupter, denen man auf Japans Straßen begegnet, bemerkte ich das nicht mehr junge Japan. Naturgemäß kam mir dabei auch das in Zukunft nicht mehr junge China in den Sinn. Wie werden wir mit dieser Veränderung umgehen? Alles, was wir uns heute in Bezug auf die alten Leute überlegen, betrifft unsere eigene Zukunft.
Weniger Särge und mehr Medizin
Japan ist ein Inselstaat mit zahlreichen Vulkanen, ein Grund für die häufigen Erdbeben dort, die einen vorläufigen Höhepunkt in der Dreifachkatastrophe im Jahr 2011 hatten. Aber auch der Grund dafür, dass den Japanern das Bewusstsein für Katastrophenprävention in Fleisch und Blut übergegangen ist. Das ist wirklich beeindruckend.
Ich hatte auch einen persönlichen Grund, mich in unseren Reportagen zu Japan mit diesem Thema zu befassen. Vor einigen Jahren brach einmal in einem Hotel in einer Kleinstadt im Norden Chinas ein Großbrand aus, in dem zu diesem Zeitpunkt zahlreiche chinesische und japanische Gäste logierten. Viele Chinesen kamen dabei ums Leben, aber kein einziger Japaner.
Warum? Die Gründe gehen vermutlich auf die Erziehung und die Lebensgewohnheiten zurück. Wir waren in einer japanischen Grundschule, in der ein Feueralarm geplant war, über den die Schüler vorab nicht informiert waren. Die Schulkinder saßen in ihren Klassenräumen, als die Alarmglocken schrillten. Binnen kürzester Zeit hatten sämtliche Schüler ruhig und diszipliniert die Klassenzimmer verlassen, sich einen Mundschutz übergestülpt und im Schulhof versammelt. Alle Jahrgangsstufen machten es auf dieselbe Weise. Das kommt ganz einfach daher, weil nach japanischer Vorschrift zu Beginn eines jeden Schuljahrs alle Schulen diese Feueralarm-Übungen machen müssen.
In japanischen Supermärkten habe ich zahlreiche nützliche Gegenstände zur Vorbeugung und Vermeidung von Unfällen und Katastrophen entdeckt, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Zum Beispiel so eine Vorrichtung, mit der man ein hohes Regal an der Wand festmacht, damit es im Fall eines Erdbebens nicht umstürzen kann.
Als wir wegen eines anderen Themas in einem japanischen Haushalt waren, erfuhren wir nebenbei, dass die älteren Familienmitglieder gestern gerade die Notkonserven durch frische ersetzt hatten, weil die alten abgelaufen waren. Normalerweise bewahrt jeder japanische Haushalt im Hof einen Notfallkoffer auf, in dem unter anderem Lebensmittel, Wasser und Batterien für alle Fälle gehortet werden.
Besonders ausgeprägt ist die Schulung bezüglich des Verhaltens bei Erdbeben. So gibt es mobile »Erdbeben-Testräume«, die in die Schulen oder die Stadtteile gefahren werden, damit die Leute die Wirkung eines Erdbebens in verschiedenen Stärken selbst erproben können und über das richtige Verhalten im Fall eines Erdbebens aufgeklärt werden. Man kann nachvollziehen, dass Menschen, die so umfassend geschult sind, im Katastrophenfall wie im Jahr 2011 nicht panisch werden, sondern besonnen handeln und damit viele Leben retten.
Man ist zwar auch in Japan nach wie vor nicht in der Lage, ein Erdbeben vorauszusagen, aber man hat ein Frühwarnsystem entwickelt, das zehn Sekunden vor Ausbruch eines Erdbebens Alarm schlägt. Diese zehn Sekunden sollte man nicht unterschätzen, sie bedeuten, dass U-Bahnen ihr Tempo drosseln, Züge gestoppt werden und die Menschen eine größere Chance haben, sich in Sicherheit zu bringen. Man hat auf diese Weise bereits bei mehreren Erdbeben weniger Verluste zu beklagen gehabt. Man kann nur hoffen, dass die Japaner auch nach dem Erdbeben und dem Tsunami des Jahres 2011 alles daransetzen, im Hinblick auf Vorsorgemaßnahmen technologisch auf dem neuesten Stand zu sein.
Die japanische Katastrophenprävention funktioniert also nach dem Prinzip: »Wer Medizin kauft, spart den Sarg.« Das Erdbeben von Wenchuan sollte uns daran gemahnen, dass auch wir diese Lektion lernen.
Mülltrennung will gelernt sein
In jedem japanischen Haushalt findet
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