Sind wir nun gluecklich
uns.«
In diesem Punkt musste ich ihm recht geben, das hatte ich in Japan auch ganz stark so empfunden. Sogar den Japanern selbst ist es bewusst. Als unsere Übersetzerin Frau Sugimoto uns einmal zu sich zum Essen einlud, sagte ihr Mann, der als Freiwilliger lange Zeit mit großem Engagement ausländische Studenten in Japan unterstützt hatte:
»Ich lade unglaublich gern Chinesen nach Hause zum Essen ein. Innerhalb von fünf Minuten kommen sie schon pfeifend in die Küche spaziert und helfen mit, da könnte ich mich als Gastgeber geradewegs im Wohnzimmer ausstrecken und fernsehen. Wenn ich Japaner einlade, muss ich immer den formvollendeten Gastgeber spielen, und sie mimen die formvollendeten Gäste. Wenn das Essen vorbei ist, begleite ich sie hinaus und falle todmüde ins Bett.«
Den Japanern mangelt es auch zunehmend an der Fähigkeit zur Veränderung. In Japan geht man nicht in jeder Hinsicht mit der Zeit, manche Neuerungen setzen sich nur schwer durch. Besonders gilt dies für das Berufsleben. Da die ältere Generation wirtschaftlich Großes geleistet hat, wagen sich die Jüngeren umso weniger, etwas an den vorherrschenden Prinzipien zu ändern. Selbst wenn man um die Rückständigkeit bestimmter Richtlinien weiß, traut man sich nicht, sie in Frage zu stellen. Als ich den Seniorchef von Matsushita interviewen durfte, erzählte er in so unverständlichen, verschrobenen Sätzen vom geplanten Stellenabbau, dass man kaum verstand, wovon die Rede war. Er fürchtete wohl, angegriffen zu werden, wenn er offen einem Regelverstoß das Wort redete, wie ihn der Abbau von Stellen in Japan darstellt. Bei einer Zusammenarbeit in einer Sendung mit japanischen Moderatoren sollte nur eine winzige Kleinigkeit im Text des Moderators geändert werden, schon musste man in einem zweistündigen Prozess die Genehmigung dafür einholen. Danach war mir beinah die Lust vergangen, noch einmal mit japanischen Kollegen zusammenzuarbeiten.
In Japan ist man ständig damit beschäftigt, sich den Kopf zu zerbrechen, weil man Dinge nicht zu verändern wagt oder meint, man könne, dürfe oder möchte sie gar nicht verändern.
Auf Japans Straßen sind zunehmend mehr Obdachlose zu sehen, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, die Jugend immer deprimierter und die Selbstmordrate mit jedem Jahr höher. All das sind Probleme, die alle Bereiche der Gesellschaft betreffen. Es ist schwer möglich, ein offenes und lockeres Gespräch mit Japanern zu führen, sie sind immer höflich, geben sich nach außen hin ambivalent und verstecken ihre Persönlichkeit hinter leeren Floskeln. Das macht den Umgang mit ihnen für einen Ausländer sehr anstrengend.
Japaner, insbesondere Männer, sind tagsüber und abends, das heißt vor dem Trinken und nach dem Trinken, völlig unterschiedliche Lebewesen. Tagsüber sind sie höflich und kultiviert, achten selbst im Detail auf ihr Benehmen, aber kaum waren sie abends aus, um mit Kollegen zu trinken, zeigen sie ein anderes Gesicht. Ich habe abends häufig japanische Männer gesehen, die auf die Straße urinierten. Die Passanten schienen daran gewöhnt zu sein und schenkten ihnen keine Beachtung. Eine Steigerung davon habe ich einmal mit der Nummer drei in der Managementhierarchie eines japanischen Unternehmens erlebt. Für gewöhnlich ein sehr korrekter Herr, kehrte er auf einer Dienstreise abends so betrunken in sein Hotel zurück, dass er sich beim Verlassen des Fahrstuhls schon in seinem Zimmer wähnte. Er zog sich vor dem Fahrstuhl splitternackt aus, stapelte noch ordentlich seine Kleidung aufeinander, dann legte er sich zufrieden auf dem Teppich schlafen und erschreckte das Personal zu Tode …
Solche Geschichten gibt es natürlich noch viele. Jedes Volk hat seine Eigenheiten, die eine Kombination aus Vorzügen und Defiziten sind. Als Gast nimmt man am besten nur die guten Seiten in seinem Gepäck mit.
Gegenseitiges Verständnis?
Während der drei Wochen, die ich in Japan verbrachte, nahm ich mir täglich eine Stunde Zeit, um die fünf wichtigsten japanischen Zeitungen zu durchforsten: die Yomiuri Shimbun , Asahi Shimbun , Sankei Shimbun , Nippon Keisai Shimbun und die Mainichi Shimbun . Was ich suchte? Die Nachrichten, die China betrafen.
Das Ergebnis war überraschend und ernüchternd zugleich. Zunächst einmal ist festzustellen, dass dort sehr viel über China geschrieben wird, im Durchschnitt brachte jede dieser Zeitungen fünf bis sechs Meldungen über China täglich. Über kein anderes Land
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