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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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in einem Restaurant saubermachte, meinte, er müsse uns Chinesen erklären, was ein Kühlschrank sei. Darin bewahre man im Sommer Essen und Getränke auf, damit sie nicht verdarben. Dann fragte er allen Ernstes: »Und in China, was macht man da, wenn man im Sommer die Vorräte kühl halten will?«
    Das entsprach vermutlich den damals in den USA verbreiteten Vorstellungen von China. Vielleicht wunderte er sich sogar darüber, dass wir keine langen Zöpfe trugen.
    Selbstverständlich machten wir auch jede Menge interessante Erfahrungen auf dieser Reise. Damals war zum Beispiel in chinesischen Städten der »California Chinese Beef Noodle King« sehr beliebt. Sein Geschäft lief ziemlich gut, vielleicht weil er »Kalifornien« im Namen trug. Als wir in den USA ankamen, stellten wir rasch fest, dass es in ganz Kalifornien keine chinesischen Rindfleischnudeln gab.
    Wir hatten damals wenig Geld und auch keinerlei Markenbewusstsein. Uns ein paar einfache Andenken und Musikvideos zu kaufen war schon das höchste der Gefühle. In den Kasinos von Las Vegas waren durchaus auch damals schon ein paar Chinesen unterwegs, aber längst nicht so wie heute, wo das halbe Land dort sein Geld verprasst.
    Damals stand das World Trade Center noch, die Supermacht hatte unter Bill Clinton die japanische Herausforderung überwunden und befand sich in einem Zustand selbstgewissen Fortschritts. Sogar im Gesichtsausdruck des alten Arbeiters, der unterhalb der Freiheitsstatue die Boote vertäute, verbarg sich der Stolz einer Weltmacht. Es war ein alter Arbeiter mit der Haltung eines Professors.
    Im »California Disneyland« gab ich mir selbst ein kleines Versprechen: Wenn ich einmal ein Kind habe, dann werde ich es hierherbringen, damit es einmal im coolsten Kindervergnügungspark der Welt spielen kann. Damals war es noch zwei Jahre hin, bis tatsächlich mein Sohn geboren wurde. Wenn ich heute dem dreizehnjährigen Kerlchen gegenüber »Disney« erwähne, antwortet er mir verächtlich: »Disneyland? Das ist doch was für kleine Kinder! Interessiert mich nicht!« So hat sich mein Versprechen von damals in Rauch aufgelöst.
    Aber das ist nicht alles, was sich seither in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen verändert hat.
    New York: Rückkehr in eine Stadt mit zwei Ruinen
    Das Ereignis kam vorzeitig. Eigentlich hatte die Fortsetzung der Serie »Yansongs Blick auf …« nach Japan eher in Indien oder Russland stattfinden sollen, aber die weltweite Finanzkrise 2008 veränderte alles, und nun waren zuerst die USA an der Reihe. Das musste sein, denn als Ausgangspunkt der Finanzkrise war Amerika der Ort, an dem die Nachrichten entstanden.
    Nach einem langen Flug von fünfzehn Stunden landete ich in New York. Dort war der Flughafenservice genauso miserabel wie eh und je, selbst für die Gepäckwagen wurde eine Gebühr erhoben. Aber das alles war lange nicht so schlimm wie die Nachrichten, die man auf den Fernsehern verfolgen konnte.
    Der amerikanische Präsident Barack Obama gab gerade eine Stellungnahme zur Situation von General Motors ab: »Wir akzeptieren den vorgesehenen Umstrukturierungsplan nicht, wir geben General Motors noch sechzig Tage Zeit, CEO Wagoner ist zurückgetreten …«
    So ein Mist! Wagoner hatten wir fest in unsere Reihe von Interviews eingeplant, jetzt mussten wir ihn streichen und wieder von vorn anfangen. Aber gut, immerhin hatte uns das, noch bevor wir die Straßen Amerikas betreten hatten, gelehrt, dass die Krise nicht nur eine Schlagzeile in den Zeitungs- und Fernsehnachrichten war, sondern brutale Realität.
    Weil wir gegen die Uhr geflogen und wegen des Zeitunterschieds hellwach waren und auch weil wir uns so schnell wie möglich einen Überblick über die gegenwärtige Situation verschaffen wollten, nahmen wir gleich ein Taxi zu Ground Zero und dann zur Wall Street, zwei Orte, an denen sich zu Beginn dieses Jahrhunderts die Geschicke der USA und der Welt verändert hatten.
    Der Anblick der Ruinen, die »9/11« hinterlassen hatte, war wirklich schockierend. Auch wenn die Tragödie nun schon sieben Jahre zurücklag, war ihre Grausamkeit noch immer mit bloßem Auge erkennbar. Wie eine riesige Wunde klaffte der Ort in den USA und der Welt. Eigentlich sollten an dieser Stelle meinen Informationen zufolge längst die Bauarbeiten zum Wiederaufbau im Gange sein, aber davon war keine Spur. Es fuhren ein paar Autos vorbei, doch ansonsten herrschte auf der angeblichen Baustelle Stille.
    Die Wall-Street-Börse liegt nur ein paar

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