Sind wir nun gluecklich
weltweit größten Automobilproduzenten ab, aber es dauerte nur ein gutes Jahr, bis GM den Spieß wieder umdrehte. Aber das ist alles nur Rückschau.
Nachdem wir Henderson und General Motors verlassen hatten, nahmen wir endlich die Stadt Detroit unter die Lupe. Das Zentrum bestand zum großen Teil aus verlassenen Bürohäusern, an vielen hing das Schild »Zu verkaufen«, einige davon waren bereits dem Verfall nahe. In manchen hatten sich Obdachlose eingenistet. Glas von zersplitterten Fensterscheiben lag auf dem Boden, vor einem Haus entdeckten wir mehrere gebrauchte Nadeln von Spritzen.
Dass die Trostlosigkeit Detroits kein Produkt der aktuellen Finanzkrise war, sah man bereits dem verlassenen Bahnhof an, den von Gras überwucherten Gleisen, über die schon lange kein Zug mehr gerollt war. Auf den massiven Import von Autos aus japanischer und koreanischer Produktion und der Lohnkostensteigerung in den USA hatte man nicht flexibel genug reagiert, und die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Automobilindustrie nahm täglich ab. Und damit einher ging der Abstieg Detroits. Diese Abwärtsbewegung hielt bereits seit zehn Jahren an. Heute liegt der Anteil von Autos aus US-amerikanischer Produktion in den USA bei gerade einmal 50 Prozent. Die Folgen sind Arbeitslosigkeit und eine Verlangsamung der Entwicklung der Städte. Wer hier wohnte, ergriff entweder die Flucht, oder er richtete sich eher schlecht als recht in dieser unsicheren Situation ein, die mit der Finanzkrise natürlich noch instabiler wurde.
In einer US-amerikanischen Zeitschrift war die Prognose zu lesen: »Detroit, die Stadt, in der seit jeher die weltweite Nummer eins der Automobile produzierte wurde, wird bis zum Jahr 2100 verschwunden sein.« Nach dem, was wir mit eigenen Augen gesehen hatten, gewannen wir nicht den Eindruck, dass es bis 2100 dauern würde.
Wir begaben uns inmitten dieser desolaten Situation auf Recherche und entdeckten auch andere Seiten der Stadt, Menschen, die alles unternahmen, um Neues aufzubauen und unter schwierigen Bedingungen für kleine Fortschritte zu sorgen. Als wir morgens aufbrachen, stießen wir an einer Ecke auf einen frisch renovierten kleinen Laden, in dessen Schaufenster die Parole hing: »Detroit – alles wird besser.« Ich nehme an, der Laden gehörte einem schlichten Kleinunternehmer, der hier trotz aller Anfechtungen durch die Krise sich selbst und seiner Stadt Mut zusprach.
Am Nachmittag bevor wir diese Stadt verließen, kam ich zu dem Schluss, dass es keine bessere Schlusszeile für unsere Reportage über Detroit geben könnte als diesen Slogan. Wir nahmen also einen weiten Umweg in Kauf, um noch einmal zu dem Schaufenster mit dem Schriftzug zurückzukehren. Mein letzter Kommentar dazu war: »Viel Glück, Detroit!«
Das Recht, eine Waffe zu tragen, und sein Preis
Ist das Recht jedes Bürgers, eine Waffe zu tragen, als ein Speer des Angriffs oder ein Verteidigungsschild zu sehen? Ist dieses »Recht« seinen hohen Preis wert?
Mit diesen Fragen im Gepäck waren wir losgezogen. Der Fall von Waffengewalt, der uns ursprünglich beschäftigte, war inzwischen aber bereits Schnee von gestern, es hatte sich schon wieder ein neuer Fall ereignet.
Ein vierzigjähriger Mann vietnamesischen Ursprungs war am 3. April 2009 bewaffnet in das Community Center von Binghamton im Staat New York eingedrungen, in dem er früher Englisch gelernt hatte, und schoss auf die Lernenden einer Klasse. Dreizehn Menschen starben, darunter auch vier chinesische Landsleute. Zuletzt hatte der Amokläufer das Gewehr auf sich selbst gerichtet.
Das war nicht der einzige Fall von kriminellem Waffenmissbrauch, der während unseres Aufenthalts Schlagzeilen machte. Innerhalb einer Woche ereigneten sich noch weitere Fälle mit insgesamt zehn Toten. Für die Medien schienen solche Vorkommnisse schon kaum mehr eine Nachricht wert.
Nach mehrstündiger Autofahrt erreichten wir Binghamton. Am Ort der Tat hatten die Menschen zahlreiche spontane Beileidsbezeugungen abgelegt, vor dem Nachbarschaftszentrum steckten vierzehn amerikanische Flaggen, das heißt, auch des Attentäters selbst wurde als Opfer gedacht. Außerdem fiel uns auf, dass die Anteilnahme keine konfessionellen Grenzen kannte, es waren selbst typisch buddhistische Requisiten der Trauer zu sehen. Es fiel schwer, bei diesem Anblick die eigene Fassungslosigkeit zu unterdrücken. Wir fragten uns: Warum ist der Waffenbesitz für Normalbürger erlaubt?
Jemand gab mir die Erklärung, in
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