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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Deutschland sei der private Waffenbesitz früher auch erlaubt gewesen, dieses Recht sei erst mit der Machtübernahme der NSDAP abgeschafft worden. 29 Doch nach dem Massaker an den Juden könne man sich fragen, ob die Massenvernichtung der Juden nicht hätte verhindert werden können, wenn diese Waffen besessen hätten.
    In den USA ist das Privateigentum heilig und unverletzlich, man sieht Waffen als einen Weg, dieses Recht zu verteidigen. Für viele US-Bürger gehört der Besitz von Waffen daher zu ihren grundlegenden Rechten, nicht nur zur Verteidigung ihres Eigentums, sondern auch zum Schutz vor Übergriffen durch den Staat oder das Militär. Auch innerhalb der Vereinigten Staaten gibt es eine große Debatte über dieses Thema, das Land spaltet sich in die Riege der Befürworter des Waffenbesitzes und die Seite der Kritiker, die ihn gesetzlich kontrollieren möchten. Völlig verbieten möchte den privaten Waffenbesitz offenbar niemand. Denn schließlich gilt in den USA der Spruch: Gott, Gewehre und Mut haben Amerika geschaffen.
    Gewiss hat auch die Freiheit des Waffenbesitzes ihre gesetzlichen Grenzen, offiziell darf niemand außerhalb seines privaten Grundstücks eine Waffe bei sich tragen. Aber jeder weiß, dass, selbst wenn die Polizei alles daransetzte, diese Vorschrift rigoros durchzusetzen, sie dennoch kaum in der Lage wäre, die 230 Millionen Waffen zu kontrollieren, die in den USA im Umlauf sind. Daher wird es weiterhin Nachrichten von tragischen Fällen von Waffenmissbrauch geben. Tendenz steigend.
    Nie werde ich das bange Gefühl vergessen, das mich beschlich, als ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Geschäft für Handfeuerwaffen betrat. Es gab Schusswaffen in allen Größen und Formen, auch speziell auf die Bedürfnisse von Frauen ausgerichtete. »Kann das wahr sein?«, fragte ich mich immerzu. All diese Waffen dienten dazu, einen Menschen mit einem Schuss ins Jenseits zu befördern.
    Das argumentative Hin und Her zwischen den Verfechtern des geheiligten Rechts und denen, die auf seinen brutalen Preis verweisen, wird in den USA wohl noch lange weitergehen.
    Vor dem Weißen Haus verlief früher die stark befahrene Pennsylvania Street. Nach mehreren Anschlägen auf das Domizil des Präsidenten fürchtete man, dass irgendwann vielleicht ein ganzer Lastwagen voll von explosivem Material dort vorfahren könnte. 1995 beschloss Bill Clinton daher, die Straße ab dem 20. Mai vollständig sperren zu lassen. Er veröffentlichte dazu folgende Verlautbarung:
    »In der Geschichte der Vereinigten Staaten wurden vier Präsidenten Opfer eines Attentats, acht weitere überlebten einen Anschlag auf ihr Leben aus purem Glück. Diese Straße wurde bislang dennoch nicht für die Öffentlichkeit gesperrt. Heute sehe ich mich jedoch zu dieser Entscheidung gezwungen.«
    Das heißt also, man sperrt lieber eine Straße, als Waffen zu verbieten. An diesem Beispiel zeigt sich überdeutlich, wie schwer man sich tut, die richtige Balance zwischen Freiheit, Recht und den möglichen Kosten dieser Freiheit zu finden. In diesem Moment ist der Waffenbesitz nicht einfach Kultur, er stürzt die Gesellschaft in ein riesiges Dilemma.
    Bis zu welchem Preis werden die Amerikaner an diesem Dilemma festhalten? Jeder weiß, dass in China und in zahlreichen anderen Staaten der Erde privater Waffenbesitz illegal ist, weil die Folgen der Legalisierung nicht abzusehen wären. Was sind eigentlich bei uns die Alternativen zum privaten Waffenbesitz, um die persönlichen Rechte und Interessen eines jeden zu wahren?
    »Free to all«
    Vor dem Hintergrund der Finanzkrise die USA zu besuchen und dabei Zeit und Energie zu finden, eine Bibliothek zu filmen, mag dem einen oder anderen gegenstandslos vorkommen, doch wenn wir eines Tages viele solcher Bibliotheken bei uns in China hätten, würde man schnell zugestehen, dass materieller Wohlstand nicht alles ist, sondern wahrer Wohlstand durch andere Faktoren gestützt werden muss.
    Wir besuchten die 1848 erbaute Bibliothek von Boston. Sie war die erste öffentliche Bibliothek, die aus Staatsgeldern zur kostenlosen Nutzung für alle Bürger errichtet wurde. Die Inschrift »Free to all« oberhalb des Eingangstors des altehrwürdigen Gebäudes übersetzte ich mir zunächst wörtlich mit »Kostenlos für alle«. Nach dem Besuch hätte ich es eher als »Freier Zugang für alle« verstanden.
    Die Tür steht wirklich jedermann offen. Es gab während unseres Besuchs auch viele Obdachlose, die hier im Warmen

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