Sind wir nun gluecklich
Staatsoberhaupt gleichgültig an den Gruppierungen vorbei in das Auditorium und hielt selbstbewusst und unbeeindruckt seine Rede. Die Veranstaltung war ein Erfolg, Gäste und Gastgeber waren vollauf zufrieden.
Zwar ließen unterdessen auch die Leute draußen vor der Tür, hinter der Polizeiabsperrung, ihre Stimmen hören, doch als die Veranstaltung erfolgreich zu Ende gegangen war, hatte sich die Demonstration schon in Luft aufgelöst, und die Teilnehmer bröckelten allmählich ab. Vielleicht hatten sie selbst den Eindruck, dass ihr Auftritt wenig Sinn machte, oder sie verhielten sich nach dem Motto: Die Arbeit ist getan, jetzt ist Feierabend.
Meine Kollegen und ich scherzten untereinander: »Wenn das mal keine große Nation ist! Kaum treten wir irgendwo auf, schon gibt es eine Demonstration. Stellt euch vor, wir kommen demnächst irgendwo hin, und es gibt keine Demonstranten. Da wird man sich noch beschweren: ›Wie, hat keiner mehr Respekt vor China?‹«
Eine Nation, die keinen Einfluss hat, ist für die Leute, wenn man genau bedenkt, völlig uninteressant. Wer nicht gepriesen wird, gegen den wird auch nicht demonstriert, und er bekommt auch keine Kritik ab. Wer erwachsen geworden ist, muss sich allen Arten von Szenarien und Stimmen stellen können. Die Herausforderung, damit umgehen zu müssen, nachzugeben oder zu widerstehen, wird weiter wachsen. Das ist nur eine der Begleiterscheinungen beim Aufstieg zu einer Großmacht.
Wenige Monate später war Ministerpräsident Wen Jiabao auf Staatsbesuch in England. Während eines Vortrags an einer Universität warf ein junger Mann mit einem Schuh nach ihm. Unerwartet reagierte Premier Wen völlig gelassen und setzte sich nach dem Vorfall sogar dafür ein, dass der Schuhwerfer nicht bestraft wurde. Beinah noch bemerkenswerter war, dass die chinesischen Medien ungehindert über die Angelegenheit berichten durften. Das Ganze lief sogar in unserem Nachrichtenprogramm »Xinwen Lianbo«. Im Nachhinein wurde viel darüber diskutiert, die selbstbewusste wie souveräne und offene Haltung wurde aber einhellig befürwortet. Auch ich wurde zu dem Vorfall befragt. Meine Sichtweise war denkbar einfach: Das gehört zum Prozess der Desensibilisierung. Je mehr man seinen Gegnern mit Gelassenheit und Humor begegnet, desto mehr nimmt man ihnen den Wind aus den Segeln. Wer gut zu kontern weiß, wird in der Öffentlichkeit umso besser dastehen.
Nach dem oben erwähnten Vortrag an der Universität 2008 war der chinesische Staatsmann damals in eine andere Stadt weitergereist. Er besuchte ein wichtiges Kulturdenkmal, vor dem sich wieder etliche Demonstranten eingefunden hatten, die von der örtlichen Polizei diesmal mit Linienbussen auf Distanz gehalten wurden. Bevor ich draußen die Reportage machte, ging ich zur Toilette. Als ich mich dort gerade erleichterte, hielt ein Jugendlicher neben mir irgendein Transparent vor mich hin. Ich ließ mich nicht stören und lächelte ihn nur spöttisch von der Seite an und deutete mit einem Kopfnicken an, er solle es doch ein bisschen höher heben, damit ich es besser lesen konnte …
Als der andere merkte, dass ich ihn nicht ernst nahm und ihn auch noch aufzog, war es mit seinem Eifer schnell vorbei. Er rollte sein Transparent zusammen und trollte sich mit rotem Kopf, während ich mich kaputtlachte. Im Grunde sind viele dieser Aktivisten nichts als Papiertiger, sie wirken manchmal nur deshalb so gefährlich, weil man ihnen Beachtung schenkt und sie regelrecht »hofiert«, wodurch sie nur noch aufgeblasener werden. Tritt man ihnen aber gelassen entgegen, wer weiß, dann werden sie am Ende noch ganz depressiv und fühlen sich gekränkt.
Der Carrefour-Boykott: Eine Lektion in Demokratie
Im Januar 2008 folgte ich zusammen mit Wu Jianmin und weiteren Kollegen einer Einladung vom Pressebüro des chinesischen Staatsrats. Das Gespräch in Peking dauerte einen ganzen Tag lang. Man lud uns ein, weil wir alle zu den Lehrern in der Ausbildung der staatlichen Pressesprecher gehörten, und wollte hören, was wir zur Verbesserung und Entwicklung des staatlichen Korps der Pressesprecher, besonders in Hinblick auf die aktuelle Lage, zu sagen hatten.
Während der eintägigen Konferenz waren wir uns vor allem einig in der Einschätzung, dass im Vorfeld der Olympiade in Peking in diesem Jahr sicher mit größeren Unruhen und Problemen zu rechnen sein würde. Dass allseits Schönwetter herrschen würde, darauf konnte man sich nicht verlassen.
Diese Überlegung kam
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