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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Haupteingang war blockiert von den Eltern der Kinder, die beim Einsturz der Dongqi-Mittelschule getötet oder verletzt worden waren. Die Trauer der Eltern hatte sich mit Wut gemischt, und gerade an diesem Tag hatten sie sich vor dem Tor der Firma versammelt, um über Schadenersatzforderungen zu beratschlagen.
    Nach der Dokumentation über die Fabrik fuhren wir weiter zu einer Grundschule in Hanwang, die ebenfalls vom Erdbeben verheerend betroffen war. Als wir dort waren, hatte man die Überreste des Schulgebäudes bereits beinah vollständig beseitigt, nichts als das Eingangstor und ein Empfangszimmer standen noch, auf denen überall Fotos von Kindern und Gedenksprüche prangten. Zahlreiche Familienangehörige kamen jeden Morgen zu einer bestimmten Uhrzeit hierher, gerade so, als würden sie täglich zur Arbeit gehen, um sich schweigend und regungslos vor dem Tor sitzend zu versammeln, den ganzen Tag lang, um ihre verstorbenen Kinder auf ihrem weiten Weg zu begleiten, um sich durch die Gesellschaft anderer Trauernder zu trösten. Worte zu wechseln war nicht nötig, um auf diese Weise den Schmerz vielleicht ein wenig erträglicher zu machen.
    Später fuhren wir auch zur Juyuan-Mittelschule in der Nähe des Dujiang-Staudamms. Inmitten der umliegenden Gebäude, die, man hatte es uns bereits gesagt, wie durch ein Wunder einigermaßen heil geblieben waren, lag die ehemalige Schule wie ein einsamer Trümmerhaufen da. Wir konnten uns unschwer vorstellen, welche Tragödie sich hier abgespielt hatte. Ich sah vor Ort keine Familienangehörigen, stattdessen aber zahlreiche Wachpolizisten, die offenbar von weiter her kamen und pflichtschuldigst das Gelände absicherten, sie befolgten ihre Befehle.
    Beim Anblick von zerstörten Schulgebäuden wie diesem konnte ich Angehörige und Kritiker nur allzu gut verstehen. Wer würde da nicht wütend werden! Es mag in manchen Fällen ein unglücklicher Zufall gewesen sein, denn die Zerstörung betraf natürlich auch gleichermaßen Bürogebäude, aber ausgerechnet Schulen; das war besonders erschütternd. Hätte man bei der Errichtung der Gebäude bei jedem Ziegelstein darauf geachtet, dass die Lehrer Stützen unserer Gesellschaft und die Kinder die Pfeiler ihrer Zukunft sind, wären heute womöglich weniger Verluste zu beklagen gewesen.
    Es gelang uns nicht, all das in den damaligen Reportagen wirklich angemessen zum Ausdruck zu bringen, aber wir wollten auf jeden Fall die Leute aufrütteln. Während ich ihnen die Aufnahmen von solchen Schulen zeigte, fragte ich Vizebauminister Chao Baoxing und andere für das Bauwesen zuständige Funktionäre, die ich danach interviewte, wie man dafür Sorge tragen werde, die Qualität der Schulgebäude in Zukunft zu gewährleisten und die der bestehenden Schulen zu überprüfen. Ich bestand auf einer konkreten Antwort, bevor ich zur nächsten Frage überging.
    Nach zehn Tagen beendeten wir die Arbeit an unserer Filmdokumentation über das Erdbebengebiet. Zwei Stunden Flugzeit waren es bis Peking. Als ich die Ankunftshalle betrat, befiel mich ein überwältigendes Gefühl von Fremdheit und Distanz. Die Sonne schien hell und klar, um mich herum herrschte eilige Geschäftigkeit, die Luft war voll heiterer Gelassenheit, keine Spur von Desinfektionsgeruch und keine Bilder der Verwüstung mehr. Mir erschien das in diesem Augenblick alles so vollkommen unpassend. Ich nahm mir fest vor, noch oft nach Sichuan zu reisen …
    Und was können wir aus den Katastrophen lernen?
    Zwei Jahre später wiederholte sich diese Erfahrung von tiefem Leid, diesmal in Yushu und Zhouqu. Was, außer vielen Tränen, bleibt von dieser Erfahrung übrig? Sind unsere Schulgebäude sicherer geworden? Können die Eltern unbesorgt sein?
    Bei den Rettungsaktionen nach den verheerenden Ereignissen gaben die meisten ihr Menschenmöglichstes, aber was ist mit der Prävention und der Schulung, kann man da nicht noch vieles verbessern? Oder müssen wir immer noch damit rechnen, dass bei der Wahl zwischen Medizin und Sarg doch immer zuerst Letzterer bereitsteht? Werden wir immer noch von oben herab mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zeigen, von ihnen mehr Engagement verlangen und uns anmaßen, darüber zu urteilen, welcher Beitrag geringer ist als ein anderer? Und werden unter diesem moralischen Druck andere Menschen oder Firmen dazu gebracht, die Katastrophenhilfe zu optimieren?
    Liebe kommt so schnell wie die Flut, aber ist nicht auch schnell wieder Ebbe? Die Regierung hat bereits

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