Sine Culpa
wurde allmählich peinlich, und schließlich beendete sie es.
»Sie sehen überhaupt nicht aus wie ein Polizist.«
»Wie seh ich denn aus?«, fragte er mit einem erleichterten Lächeln.
»Eher wie ein Arzt oder ein Manager. Sehr seriös und schlau.«
»Und das sind Polizisten nicht?«
»Die ich kenne, sind ziemlich ungehobelt und blödeln immer nur rum, wenn sie keinen Dienst haben.«
»Nennen Sie mir sofort die Namen«, sagte er mit gespielter Empörung.
Sie sah ihn leicht panisch an, und er lachte.
»Sie haben also Humor«, sagte sie, »Gott sei Dank. Bei Kindern braucht man den auch, sonst schnappt man über.« Sie brachte das Gespräch dezent auf den Zweck seines Besuches, aber er reagierte noch immer nicht. »Ziehen Sie ruhig Ihr Jackett aus, ist doch viel zu warm.«
Er tat wie geheißen und legte es ordentlich gefaltet über einen anderen Stuhl. Als er aufblickte, sah er, dass sie schmunzelte.
»Schlechte Angewohnheit«, sagte er.
»Sie sind ordentlich, dafür müssen Sie sich nicht entschuldigen. Es gibt Tausende von Frauen, die sich nach einem Mann wie Ihnen die Finger lecken würden.« Sie lachte unbekümmert, aber Fenwick fand die Bemerkung trotzdem zu intim, und er trank einen großen Schluck Wasser, um seine Verlegenheit zu überspielen.
»Ich äh … ich möchte mit Ihnen über Chris sprechen. Ich weiß bloß nicht, wie ich anfangen soll.«
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, nicht ahnend, wie attraktiv seine zerzauste Verletzlichkeit ihn machte. Manche Männer hätten viel Zeit vor dem Spiegel investiert, um den Effekt zu erreichen, der ihm gerade mühelos gelungen war. Penny beugte sich auf dem Stuhl vor, die Ellbogen auf den nackten Knien, beide Hände um ihr Glas gelegt.
»Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen erst mal, was ich denke, und Sie sagen, was Ihnen dazu einfällt.«
Er sah sie dankbar an und nickte.
»Gut, wo soll ich anfangen?« Sie trank einen nachdenklichen Schluck, und ihr Gesicht wurde Ernst. »Chris ist ein zauberhafter kleiner Junge, wenn er will. Er ist höflich und aufmerksam, aber kein Streber. Und obwohl er für sein Alter recht klein ist, eilt er anderen zu Hilfe, wenn sie von Stärkeren bedrängt werden.«
»Ja?« Fenwick war freudig überrascht. »Ich dachte, dafür wäre er zu schüchtern.«
»In sozialen Situationen ist er das auch. Ich sehe ihn oft am Rand stehen und darauf warten, dass die anderen ihn auffordern mitzumachen.« Fenwicks Herz krampfte sich zusammen. »Aber wenn andere Jungs gemeinsam ein schwächeres Kind schikanieren, vor allem, wenn es ein Mädchen ist, dann ist er sofort da. Und dann kennt er kein Halten mehr, das kann ich Ihnen sagen. Er ist ein richtiger kleiner Tiger!«
»Aber er hat doch bestimmt keine Chance gegen sie.«
Jetzt war es Penny, die verlegen wurde.
»Na ja, ich muss sagen, obwohl er so schmächtig ist, haben die meisten anderen Jungs Angst vor ihm.«
»Warum denn das?«
»Weil er so wütend wird. Es ist schrecklich, Andrew, richtig beängstigend. Selbst mir fällt es nicht leicht, ihn von jemandem wegzuziehen, wenn er angefangen hat, auf ihn einzuschlagen, aber ich muss natürlich. Und sobald Chris begreift, dass ich es bin, hört er auf.«
»Sobald er begreift, dass Sie es sind?«
»Ja, wenn er einen dieser Wutanfälle hat, scheint er nicht mehr zu wissen, wo er ist und wer um ihn herum ist.«
»Soll das heißen, dass er vollständig die Beherrschung verliert?« Jetzt, wo sie einmal angefangen hatten, wollte er es auch genau wissen.
»Richtig«, sagte sie. »Er ist dann völlig außer Kontrolle. In seinem Alter – und bei seiner Größe – geht das ja noch, aber er wird älter, und wenn er weiter diese Ausbrüche hat, fliegt er irgendwann von der Schule. Bislang habe ich nichts weiter unternommen, außer die Schulleitung von meinen Bedenken zu unterrichten, aber …«
»Sie meinen wirklich, dass er von der Schule gewiesen werden könnte?« Fenwick war zutiefst schockiert.
»Das befürchte ich, Andrew, und deshalb hatte ich Sie ja auch auf dem Elternabend angesprochen. Chris ist zu gut und darf seine Chancen im Leben nicht wegen dieser einen Persönlichkeitsschwäche verlieren. Die meiste Zeit ist er ein liebenswerter kleiner Junge, aber das wird nicht ausreichen, vor allem nicht in der weiterführenden Schule. Er braucht Hilfe. Ich bin keine Expertin, aber ich glaube, der Tod seiner Mutter hat ihn tief verletzt.« Sie sah ihn mitfühlend an, aber er hatte das Gesicht abgewendet.
»Sie war aber doch so
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