Sinfonie des Todes
Tochter oder stehen neben den Schuhen wie Gustav Wissel. Und alle haben finanzielle Probleme.« Warnstedt setzte sich an den Schreibtisch und studierte das Impressum der Krone, wo die Anschrift der Redaktion stand.
»Ich werde mir den Brief aushändigen lassen«, überlegte er laut seinen nächsten Schritt, während er nach dem Telefonhörer griff. »Vielleicht erlaubt er uns irgendwelche Rückschlüsse auf den Schreiber.«
»Warte noch kurz«, bat ihn Oskar Werlhoff. »Was gibt es für mich in der Zwischenzeit zu tun?«
»Du und Theodor, ihr könnt mit Robert Fichtner reden. Konfrontiert ihn mit dem Artikel und beobachtet seine Reaktion«, schlug der Inspektor vor. »Ich hingegen werde mich mal mit Gustav Davis verbinden lassen, dem Herausgeber der Krone.«
20 Minuten später nahm sich Cyprian von Warnstedt einen Landauer, der von zwei prächtigen Rössern gezogen wurde, und gab dem Fahrer Weisung, ihn in den neunten Bezirk zu kutschieren. Sie rollten über das Pflaster, vorbei an Pferdestellwagen und Passanten, bis sie das Haus an der Pramergasse erreicht hatten, in welchem die Redaktion der Krone untergebracht war.
Das Gebäude hatte man im letzten Frühjahr renovieren lassen, und so erstrahlte es noch immer in frischem Putz. Der Polizist entlohnte den Fahrer und schritt auf den Eingangsbereich zu. Die erste Person, die ihm vor Augen trat, war – wie sich in einem kurzen Wortwechsel zwischen Tür und Angel herausstellte – der Leiter des Lokalteils, der junge Theodor Horn. Warnstedt erinnerte sich dunkel daran, dass der Wiener Schmäh ihm unterstellt hatte, bei seiner ersten Recherche den Stephansplatz nicht gefunden zu haben.
»Zu Gustav wollen S’ also? Der kommt Sie gleich holen. Sie haben doch einen Termin, nicht wahr? Dann is ja alles leiwand.«
Er wandte sich ab, um aus der Vorhalle zu hasten, und ließ den Beamten allein zurück. Überall wimmelte es von umherschwirrenden Journalisten, ringsum war aus den Büros das rhythmische Klappern der Schreibmaschinentasten zu vernehmen. Hektische Stimmen diskutierten über Artikel, die schon längst fertig sein sollten, und Warnstedt fühlte sich ziemlich hilflos und verloren in dem organisierten Chaos, das ihn umgab.
»Sind Sie der Herr Inspektor?«, sprach ihn eine Stimme von hinten an. Er drehte sich um und stand einem etwa 50-jährigen Mann mit gepflegten grau melierten Haaren gegenüber.
»Ja, ich bin Cyprian von Warnstedt. Wir haben eben miteinander telefoniert. Und Sie müssen Gustav Davis sein.« Er reichte dem Journalisten die Hand, die dieser mit kräftigem Griff umschloss.
»Genau der bin ich. Guten Tag, Herr von Warnstedt. Bitte, folgen Sie mir in mein Büro.«
Der Polizist ging Davis in einen kleinen, rauchgeschwängerten Raum nach, der mit allerlei Korrespondenz, Ordnern und Nachschlagewerken vollgestopft war. »Sie interessieren sich für den anonymen Brief?«, begann der Redakteur, nachdem er sich gesetzt hatte.
Warnstedt nickte. »Ich habe heute Morgen Ihren Artikel gelesen und möchte nun natürlich herausfinden, wer dieses Schreiben verfasst hat. Wissen Sie da Näheres?«, erkundigte er sich.
Davis schüttelte den Kopf, nahm sich eine Manila-Zigarre aus einem dunklen Holzkästchen und entzündete sie. »Möchten Sie auch?«, bot er dem Inspektor eine an. Dieser lehnte dankend ab.
Nach mehreren tiefen Zügen meinte der Journalist bedauernd: »Leider kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Wir wissen rein gar nichts.« Er rauchte einen Moment schweigend. »Der Brief lag am Samstag im Stapel unserer Zuschriften. Möchten Sie ihn sehen? Ich habe ihn schon bereitgelegt.«
»Gern«, antwortete Warnstedt und nahm das Schreiben, das Davis vom Tisch genommen hatte, erwartungsvoll entgegen. Die Schrift auf dem Papier wirkte durch die Unregelmäßigkeit der Buchstaben etwas unsicher. In einer ersten, instinktiven Eingebung dachte Cyprian, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Frau gewesen war, die den Text verfasst hatte. Trotz der zittrigen Optik wirkten die Worte verspielt. Doch das musste jemand, der sich mit Handschriften auskannte, beurteilen. Ein Kollege von Cyprian, Fritz Laffert, befasste sich schon seit längerer Zeit eingehend mit dem Studium der forensischen Schriftuntersuchung. Ihm würde er den Brief zeigen.
»Ich nehme dieses Schreiben mit ins Präsidium, um es näher zu analysieren. Ich denke, Sie haben nichts dagegen«, konstatierte Warnstedt und steckte das Papier in die Tasche, ohne eine Antwort abzuwarten.
Der
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