Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
Haare zu einem Zopf, damit niemandem auffiel, wie sich die Nackenhaare sträubten. Und dann war plötzlich alles gut. Ich lächelte, hob meine Apfelschorle und prostete dem Brautpaar zu. Was war passiert? Ganz einfach, einer der Hochzeitsgäste hatte ins Mikrofon gerufen: »Wir bitten das Brautpaar auf die Bühne.« Nichts passierte. »Wo seid ihr denn? Frank? Robert?« Die Welt war wieder in Ordnung. Hoch leben Bräutigam und Bräutigam!
Und dann eines schönen Morgens drückte Frau Zeh mir einen Zettel in die Hand. »Ich weiß jetzt, was das Problem ist«, sagte sie. Ein Unbekannter, der sich offenbar mit einer ähnlichen Fragestellung herumschlug, hatte den Zettel nachts hinter ihren Scheibenwischer geklemmt. In Berlin keine ungewöhnliche Form der Kontaktaufnahme. Und dies war die Botschaft: »Das Problem besteht darin, dass erwartet werden kann, mittig auf seinem Platz zu stehen. Ich habe damit kein Problem.« Unterzeichnet war die geheimnisvolle Botschaft mit »Platz 32«.
Damit stellte uns der Unbekannte vor vier große Fragen: 1. Was meinte er mit »SEINEM« Platz? Meinte er etwa »IHN«? 2. Warum hat er kein Problem, wenn alle anderen eins haben? 3. Wieso hatte er seine Telefonnummer nicht hinterlassen? Und 4. Was ist das für ein Mensch, der sich »Platz 32« nennt? Oder war es gar kein Mensch?
Schon wieder so ein Typ, der sich für den Messias hält. Finger weg von »Platz 32«, rieten wir Frau Zeh. Andererseits: Wann bekommt man schon mal handgeschriebene Briefchen von unbekannten Männern?
Die Dampfbadlatte
Manchmal passieren Dinge, die lösen gleich eine Kette von Fragen aus. Zum Beispiel diese Sache im Fitnessstudio. Normalerweise gehe ich mit Frau Zeh in die Infrarot-Blockhütte. Man muss sich nur reinsetzen, und plötzlich geschehen Wunder. Der Hersteller behauptet, dass man mehr Kalorien verliert als beim Joggen. Und nach einer halben Stunde hat man Herzklopfen, als sei man frisch verliebt. Allerdings ohne die üblichen Nebenwirkungen wie Eifersucht, Streit und Trennung.
Aus dem Grunde wird die Blockhütte auch immer beliebter. Jedenfalls war sie besetzt an jenem Tag, als ich die Begegnung mit dem anderen Geschlecht hatte. Also ging ich stattdessen ins Dampfbad. Ich war fast allein. Nur rechts auf der abwaschbaren gekachelten Bank saß ein Mann, der sich offenbar sehr wohlfühlte.
Generell habe ich nichts dagegen, wenn Menschen sich in meinerGegenwart wohlfühlen. Aber dieser Mann fühlte sich eindeutig zu wohl.
Ich wagte nicht, ihn anzusprechen, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob es nicht vielleicht völlig normal für Männer ist, sich in Dampfbädern dermaßen wohlzufühlen, dass man es seinem Umfeld sofort nonverbal mitteilen muss. Volkstümlich wird dieses Phänomen vermutlich Dabala genannt. Dampfbadlatte. Alles ganz normal.
Ein paar Tage später saß ich mit dem Freundinnenrat zusammen, und uns fiel auf, wie wenig wir im Grunde über Männer wissen. Wir wissen, dass eine rechtzeitige Kastration das Leben eines Mannes um 10 bis 13 Jahre verlängern kann. Wir wissen, dass kluge Männer doppelt so viele Sexpartner haben wie normale Männer, aber wenn es um die ganz banale Dabala geht, sind wir überfragt.
Was wissen wir schon von der belebenden Wirkung eines Dampfbades, wo vielleicht Millionen kleiner Wasserdampfmoleküle auf ihren Schwingen in die Höhe tragen, was im normalen Leben eher zur Erde strebt. Und dieser arme Mensch, der sich keinen anderen Rat weiß, als hin und wieder ins gemischte Dampfbad des Fitnessstudios zu gehen, wer wollte ihn verurteilen? Frei nach dem schönen Gedicht »Die Mücke«: Er handelt, wie er muss, bin ich ein Mann? Oder um es mit Frau Zehs einfühlsamen Worten zu sagen: »Diese perverse Sau. Hätte ich sofort dem Empfang gemeldet. Das ist ja wohl das Allerletzte.«
Die Senatorin sagte, irgendwann sei in der Evolution etwas gründlich schiefgelaufen, wenn Frauen derart abweisend und voller Ekel auf etwas reagieren, das eigentlich dem Fortbestand der Menschheit dient. Das sei doch nicht normal.
Andererseits: Was ist schon normal?
Auf einer privaten Weihnachtsfeier in Clärchens Ballhaus, auf der inzwischen rituell Männer ihnen unbekannten Frauen Geschenke machen und umgekehrt, saß ich neben einem Mädchen, das sich von den Transvestiten, welche die Geschenke verteilten, ein wunderschönes Seidenpapier-Päckchen geben ließ.
Das ist eigentlich ziemlich dämlich, denn der Trick dieser ganzen Geschenkenummer ist es, sich hilflos-schlecht
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