Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
Karten.
»Vielleicht jemand, den dein Chef kennt?« Ich dachte an den Wahrsager, der im vergangenen Jahr eine Ehe zwischen Condoleezza Rice und Kim Jong Il vorausgesagt hatte.
Dann war Aysche dran. »Du wirst in den nächsten Tagen einen Heiratsantrag bekommen«, sagte Gräfin Froufrou. »Und dann wird er dir verbieten zu arbeiten, und du musst ein Kopftuch tragen.«
»Soll ich das machen?«, fragte mich Aysche wenig später, als wir im Singlecafé einen Mokka tranken. Ich: »Was?«
Aysche: »Na, ihn heiraten?« Ich: »Nein.« Aysche: »Ich werde nie wieder so einen gut aussehenden Freund haben.« Ich: »Schönheit ist vergänglich.« »Ja«, sagte Aysche da. »Liebe aber auch.«
Die Letzten ihrer Art
In der Rykestraße gibt es ein kleines Lädchen, in dem Katzen- und Hundefutter verkauft wird. Im Gang zur Kasse stehen Kisten mit getrockneten Schweinsohren und -schwänzen. Riesige Säcke mit Hundetrockenfutter stapeln sich neben denen mit Katzenstreu in unterschiedlichster Körnung. Ganz rechts gibt es ein kleines Regal für Vögel und Fische. Und an der linken Wand sind die Dosen aufgereiht. Alles lauter gesunde Sachen, keine Karamellzusätze, kein Zucker. Denn das verursacht bei Katzen Nierenprobleme im Alter. Woher ich das weiß? Die kleine alte Ladenbesitzerin mit den roten Haaren wusste es.
Der kleine Laden war etwas Besonderes in der Straße. Zu den Öffnungszeiten stand ein lebensgroßer Keramik-Bobtail auf dem Gehweg. Die braune Eingangstür, von der die Farbe abblätterte, war beklebt mit handbeschriebenen Zetteln, auf denen vor Hundefängern gewarnt oder Katzenkinder angeboten wurden. Oft stand eine Kundin in dem Laden mit einem Tier, bei dem ich nicht ganz sicher war, ob es ein Hund oder eine Katze war. Ich glaube, die Frau kam jeden Tag.
Gegenüber hatte schon vor Jahren ein Schönheitssalon eröffnet, ein Geschäft mit Designermöbeln und vor Kurzem eines mit Designer-Pommes-frites. Um die Ecke am Wasserturm reiht sich ein Café ans nächste. Einzig ein Antiquariat und eben der Hundesalon erzählten noch von einer Zeit, als die Häuser nicht in typischer Prenzlauer-Berg-Manier – weiß verputzte Wände, honigfarbene Böden – saniert und die Dachgeschosse noch nicht zu Penthäusern ausgebaut waren. Einmal hatte mich die Ladenbesitzerin gefragt, wo ich denn wohne. Sie kannte mein Haus: Im Erdgeschoss sei zu DDR-Zeiten ihr Hundesalon gewesen, dann aber seien die Mieten zu sehr gestiegen, und sie sei weiter in die Rykestraße gezogen.
Jedes Mal, wenn ich den Laden mit der Umrandung aus dunkelbrauner Farbe betrat, stellte ich mich auf einen längeren Besuch ein. Manchmal wartete draußen jemand im Auto auf mich. »Wie kann man nur so lange Katzenfutter kaufen«, wurde ich dann gefragt. Niemals konnte ich einfach nur eine Dose aus dem Regal nehmen. Immer fragte die Ladenbesitzerin ausführlich nach meinen Katzen und erzählte von ihren sechs. Sechs. Sie konnte an keiner streunenden Katze vorbeigehen. In ihrem Schrebergarten fütterte sie noch mal an die acht Straßenkatzen durch.
Irgendwann kannte ich die Namen all ihrer Katzen. Ich wusste, dass sie eine Streunerin gezähmt und zum Tierarzt gebracht hatte, ich wusste, dass sie ihren Schrebergarten verloren hatte, ich wusste, dass Peterchen halb blind geworden war, und irgendwann auch, dass sie ihre große, schöne Wohnung mit dem Katzen-Wintergarten gegen eine kleine Neubauwohnung hatte eintauschen müssen. Sie erzählte es mit Tränen in den Augen. Sie machte sich Sorgen, ob es den Katzen dort gefallen würde. Ich kannte ihren Mann, der sie manchmal vertrat, wenn er nicht gerade im Hinterzimmer Pudel schor. Er, der ewig Lächelnde, schüttelte jedes Mal, wenn er die Preise der Einkäufe in die Kasse tippte, bekümmert den Kopf: »Und schon sind wir wieder bei 20 Euro und 75 Cent. Ach, das ist doch immer viel Geld.« Manchmal zog er fünf Cent von der Rechnung ab. Und dann schämte ich mich, weil ich gerade nebenan einen Kaschmirpullover für 180 Euro gekauft hatte.
Irgendwann zog ich ein paar Straßen weiter. Ich kaufte nur nochselten in dem kleinen Laden ein. Ich wollte nicht immer reden. Ich wollte die traurigen Geschichten nicht hören, und wie sie nach und nach ihr altes Leben verloren. Einfach nur mal eine Dose aus dem Regal nehmen und bezahlen. In der Nähe meiner neuen Wohnung gab es ein anderes Zoogeschäft. Das war vor allem wegen der Katzenstreu viel praktischer.
Eines Nachmittags vor ein paar Wochen war der große Keramik-Bobtail
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