Sinnliche Eroberung
seines Bruders getreten. Marcus hatte sich im Alter von nur vierzehn Jahren für sechsundzwanzig Jahre Militärdienst verpflichtet, war also ein Legionär auf Lebenszeit geworden. Petrius hatte warten müssen, bis er siebzehn Jahre alt war, da er nicht so groß und kräftig wie Marcus war. Was ihm jedoch an Muskelkraft fehlte, das machte er mit Härte wett und war auf diese Weise bereits zum Kohortenzenturio aufgestiegen, dem fünfhundert Soldaten unterstanden.
Er regierte seine Männer durch Furcht und hätte mit Freuden sein hübsches Gesicht jeden Tag der Woche gegen Marcus' getauscht. Das Gesicht seines Bruders war finster und ausdrucksvoll. Seine gekrümmte Nase und die hageren Wangen ließen ihn hart, gefährlich und unbesiegbar wirken. Die Narbe, die von seiner Schläfe bis zur Wange reichte, verlieh dem Ganzen noch einen Hauch von Gewalttätigkeit, etwas, um das ihn Petrius glühend beneidete.
Er sah sich in der Villa seines Bruders um und merkte in dem Moment, daß er Marcus auch sonst noch beneidete. Das Haus war fast so groß und eindrucksvoll wie das ihres Vaters in Rom. Das Atrium besaß eine Kuppel, durch die man die Sterne funkeln sah. Und es gab einen marmornen Springbrunnen, in dem Goldfische zwischen Wasserpflanzen umherschwammen.
Sie durchschritten die Marmorsäulen und betraten das Triclinium, wo Marcus alleine oder mit Gästen speiste. Der ganze Raum war in Gold und Weiß gehalten. Marmorsäulen säumten die Wände und weiße Marmortische standen zwischen den Eßliegen, auf denen goldene und weiße Ellbogenkissen lagen.
»Wirklich großartig. Wie viele Zimmer?« fragte Petrius, der versuchte, sich seinen Neid nicht anmerken zu lassen.
Magnus zuckte mit den Schultern. »Etwa zwanzig.«
»Wie viele Sklaven?«
»Dreißig Haussklaven«, erwiderte der Ältere, ohne die Sklaven zu erwähnen, die für den Garten und Außenbereich zuständig waren und aus seinem ummauerten Refugium ein kleines
Paradies machten. Er wollte vor seinem Bruder nicht prahlerisch erscheinen.
»Du besitzt noch mehr?«
Da Petrius die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollte, sagte ihm Marcus die Wahrheit. »Ich besitze Hunderte. Alles Gefangene aus den verschiedenen Schlachten. Zehn Jahre lang habe ich in Afrika und Gallien Krieg geführt, bevor ich nach Britannien kam. Hier habe ich vier Jahre lang gekämpft, bevor ich Primus Pilus wurde. Das ergibt im Laufe der Zeit eine Menge Gefangener.«
»Ich mache keine Gefangenen. Die Lust an einer Schlacht besteht darin, sein Schwert im Kampf gegen die Feinde Roms mit Blut zu tränken.«
»Unter richtiger Anleitung können aus Feinden Verbündete werden. Meine Sklaven tun ihre Arbeit allesamt willig. Sie bauen die Straßen, Aquädukte und Thermen in dieser Stadt. Einige von ihnen sind Ingenieure. Sie lernen hier Dinge, die ihnen später einmal nützlich sind, wenn sie sich ihre Freiheit verdient haben.«
»Freiheit? Du bist ein Tor, Marcus. Wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben, solltest du sie auf die Galeeren oder nach Rom schicken, um in den Arenen zu kämpfen. In jedem Fall wären sie rasch erledigt, statt am Leben zu bleiben, um dich eines Nachts hinterrücks zu erstechen.«
Marcus wechselte das Thema. Petrius war blutdürstig, wie so viele Römer. Deshalb machte er auch derart rasant Karriere beim Militär. Nun, er würde diese Eigenschaft vielleicht brauchen können, dort, wo er hinging. Der Primus Pilus kannte das Gebiet. Die zahlreichen keltischen Stämme waren allesamt unerbittliche Krieger. Die Berge im Westen und die Insel Mona zu betreten, hieß direkt in den Hades hineinzulaufen. »Hat sich Rom in den letzten fünf Jahren sehr verändert?«
»Du scherzt wohl? Seit deinem letzten Diensturlaub, um dich von deinen Wunden zu erholen, ist so viel gebaut worden, daß du die Stadt kaum wiedererkennen würdest. Unserem Kaiser Nero haben wir die spektakulärsten Unterhaltungen in Rom zu verdanken! Die ganze Welt beneidet uns. Es gibt nun in jedem Stadtviertel Bärenjagden, nicht mehr nur in der Arena. Ich bewundere Nero über alle Maßen.«
Marcus gab zu bedenken: »Er hat seine Mutter gevögelt und sie dann vergiftet.«
Petrius lachte. »Genau das, was die meisten Frauen verdienen!«
Marcus musste an das wunderschöne Sklavenmädchen denken, das ihm heute morgen so unversehens in den Schoß gefallen war. Schon jetzt konnte er es kaum abwarten, sie in Besitz zu nehmen. Er zwang seine Gedanken wieder zu ihrem Gespräch zurück. »Besonders gerne würde ich die
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