Sinnliche Maskerade
zurück und beobachtete Alexandra, während sie an einem Keks knabberte. »Hast du etwas Interessantes gefunden?«, fragte sie nach einer kleinen Weile.
Es sah aus, als ob Alexandra sich zur Aufmerksamkeit zwingen musste, denn sie schaute auf und blinzelte, als würde sie erschrocken feststellen, dass sie nicht allein war.
»Ja ... ja, ich glaube schon. Falls dieses Buch sich als das erweist, was ich vermute, ist es ganz bestimmt eine Kostbarkeit. An Lord Blackwaters Stelle würde ich mich nur sehr ungern davon trennen.« Mit dem Buch in der Hand stieg sie von der Leiter hinunter.
»Was ist das?« Clarissas Neugierde war geweckt; unmöglich, nicht von Alexandras Ehrfurcht angesteckt zu sein.
Alex nahm auf dem Sofa Platz und legte das Buch sorgfältig in ihrem Schoß ab.
»Es könnte Petrarcas Canzoniere sein, das zuerst in Venedig im vierzehnten Jahrhundert publiziert worden ist. Es gibt nur noch sehr wenige Exemplare.« Mit der Fingerspitze blätterte sie das zarte Velinpapier um. »Eigentlich müsste ich Handschuhe anziehen.«
Clarissa betrachtete die Velinseite, die aufgeschlagen auf Alexandras Schoß lag.
»Ich wünschte, ich könnte Italienisch lesen.«
»Ich müsste erst einen zweiten Buchliebhaber konsultieren, um ganz sicherzugehen«, sagte Alex.
»Wen würden Sie fragen wollen?«
Die beiden Frauen sprangen auf und drehten sich zu Lord Blackwater um, der in Reithose und feuchten Stiefeln in der Tür stand.
»Alexandra, es sieht aus, als hätten Sie etwas Wertvolles gefunden?« Er betrat die Bibliothek und schloss die Tür hinter sich.
»Ja, ich glaube schon«, bestätigte sie, »aber ich würde gern Lord Dewforth oder Mr. Murdock zurate ziehen, je nach dem, wer den Kampf um die Bibliothek meines Vaters für sich entscheidet.« Sie verzog die Lippen zu einem trockenen Lächeln. »Und falls ich recht habe und die beiden meine Auffassung bestätigen, hätten Sie auf der Stelle einen Käufer.«
Jasper nickte und ging zu den Karaffen auf der Anrichte. Hastig versteckte Clarissa ihre Stickarbeit und wechselte ein verschwörerisches Lächeln mit Alex.
»Jasper, du bist aber früh von deinem Ausritt zurück.«
»Carltons Pferd hat ein Hufeisen verloren. Und weil es so heftig regnet, haben wir beschlossen, die Sache noch vor dem Mittag zu beenden.« Er schenkte sich ein Glas Bordeaux ein und kehrte zum Kamin zurück, wo er sich den Rücken am Feuer wärmte. »Darf ich mich durch diesen Fund zu der Hoffnung ermutigt fühlen, dass vielleicht noch weitere Kostbarkeiten auf Ihre Entdeckung warten? So viele, dass die Familie wieder umfassend zahlungsfähig ist?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es wäre außergewöhnlich, wenn Sie mehr als diesen einen Schatz finden würden, Sir. Soweit ich es beurteilen kann, steht auf den unteren Regalbrettern nichts dergleichen. Trotzdem möchte ich mir die anderen oberen Regalbretter doch noch ansehen. Es ist immer möglich, etwas zu entdecken. Wissen Sie vielleicht, ob einer Ihrer Vorfahren Buchliebhaber war, Sir?«
Jasper stieß ein kurzes Gelächter aus.
»Nein, das waren eher gestrauchelte Persönlichkeiten. Der größte Teil jedenfalls, soweit ich informiert bin. Oberflächlich betrachtet gaben sie natürlich alle viel auf Sitte und Anstand und waren züchtig wie die Nonnen ... haben Frauen mit steifem Hals geheiratet, solche, die mehr Zeit auf den Knien in der Kirche verbracht haben als mit ihren Ehemännern im Bett. Was auch immer die Lords und Masters der Familie außerhalb dieser Familie getan haben, sie haben beide Augen fest zugedrückt. Aber wehe dem, der die Regeln öffentlich gebrochen hat! Wehe dem, der damit gedroht hat, den Familiennamen in Misskredit zu bringen!«
Am liebsten hätte Alexandra laut gelacht. Aber sie hatte rechtzeitig bemerkt, dass es Seiner Lordschaft bitter ernst war und seine Stimme voller Abscheu.
»Und aus diesem Grund wünscht Ihr Onkel sich diese ungewöhnlichen Hochzeiten?«
»Ganz genau. Die frühe Liebe, die er selbst gefunden hatte, ist ihm verboten worden. Anders als seine Brüder hat er anschließend niemals so getan, als sei er irgendetwas anderes als ein Schürzenjäger und ein Betrüger. So wie alle anderen auch. Meiner Meinung nach verfolgt er mit seinem albernen Letzten Willen nur die Absicht, sich zu rächen. Mit seinem Letzten Willen und seinen schmutzigen Erinnerungen«, fügte Jasper grimmig hinzu.
Alex nickte.
»Perry hat irgendetwas in die Richtung erwähnt, nur nicht so unmissverständlich. Ich glaube, jetzt
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