Sinnliche Traeume auf Kyrene
bluten beginnen.“
Er stellte keine Fragen, warum eine Dame von einer Kugel verwundet worden war, sondern lächelte ihr nur kurz zu und verabschiedete sich.
Als der Arzt gegangen war, eilte die Haushälterin geschäftig durch den Raum und löschte alle Lampen außer einer. „Ich werde Ihnen gleich etwas zu essen bringen, Miss Sheridan“, meinte die ältere Frau, während die Zofe Dianas auf dem Boden liegende blutbefleckte Kleidung zusammenraffte.
„Danke, Mrs. Leale, aber ich bin ganz und gar nicht hungrig.“
„Das kann ich mir vorstellen, nach dieser Tortur“, antwortete die Haushälterin freundlich. „Was Sie jetzt brauchen, ist Ruhe. Ich habe Ihnen eines meiner eigenen Flanellnachthemden bereitgelegt. Die Größe sollte passen, wenn es auch sicher nicht die Qualität ist, die Sie sonst gewohnt sind.“
„Was ich brauche, ist ein Kleid und einen Mantel, damit ich nach Hause kann ... “
„Lord Thorne sagte mir, dass Sie hier übernachten würden.“ In dem Augenblick klopfte Thorne an die Tür und trat ein. Ihm folgte eine weitere Bedienstete, die ein Tablett mit zugedeckten Tellern trug, das sie jetzt auf einem kleinen Tisch vor dem Kamin abstellte.
Als er plötzlich seine Dienerinnen entließ, nahm Diana seine Dreistigkeit zur Kenntnis, schwieg aber, bis die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. „Ich sollte nicht über Nacht in deinem Haus bleiben, Thorne. Das liefert dem Skandal nur neue Nahrung.“
„Ich schere mich keinen Deut um dieses Gewäsch“, erwiderte er leichthin und hob die Deckel von den Tellern. „Bevor ich nicht für deine Sicherheit garantieren kann, lasse ich dich nicht aus den Augen. Und du brauchst Ruhe. Ich versichere dir, dass meine Dienerschaft sehr verschwiegen ist.“
Nachdem er auch noch die letzte Lampe gelöscht hatte und nur noch das Kaminfeuer den Raum erhellte, deutete er auf die beiden Armstühle rechts und links vom Tisch. „Also komm jetzt und iss etwas. Wir beide brauchen eine Stärkung. Zuviel
Brandy auf leeren Magen kann uns die Sinne verwirren.“
Sie fühlte sich etwas benebelt. Ob von dem Brandy oder von der überstandenen Nervenanspannung konnte sie nicht sagen. Auf jeden Fall war sie zu schwach, um gerade jetzt mit Thorne über Anstand zu streiten. Außerdem würde sie es sicher nicht ertragen können, allein zu sein.
Die Decke fest um sich gewickelt, ging sie durch den Raum, setzte sich in einen der Sessel und wartete, bis Thorne sich ebenfalls gesetzt hatte. Er reichte ihr einen Teller mit saftig gebratenem Hühnchen, kleinen neuen Kartoffeln in Sahnesoße und ein Schüsselchen voll Früchtekompott, gewürzt mit Zimt. Es gab auch Wein, doch Thorne goss sich einen weiteren Brandy ein.
Diana war hungriger, als sie gedacht hatte, und das Essen war köstlich. Trotzdem stocherte sie nur darin hemm. In Gedanken war sie immer noch bei dem Überfall, der wilden Kutschfahrt und Thornes verzweifeltem Versuch, sie zu retten. So leicht hätte er von den Hufen zertrampelt und von den Wagenrädern zerquetscht werden können. Oder erschossen. Die Kugel, die auf seinen Kopf abgefeuert worden war, hatte ihn nur knapp verfehlt.
„Das war kein einfacher Raubüberfall, nicht wahr?“, unterbrach sie schließlich das Schweigen. „Sie haben versucht, uns zu töten.“
Das war die Frage, die Thorne erwartet hatte. Deswegen wollte er hier mit Diana in Ruhe speisen.
Er vermutete, dass nach diesem aufwühlenden Ereignis ihre Nerven beruhigt werden mussten. Sicher war sie noch nie in ihrem ganzen Leben einer solchen Gefahr ausgesetzt gewesen. Und jetzt, wo sie vorbei war, würde der Schock einsetzen. Das wusste er.
Er wusste auch, dass sie wieder das Gefühl der Sicherheit zurückgewinnen musste, sonst würden sich die Anspannung und die Furcht in ihr festsetzen und sie quälen wie eine eiternde Wunde.
Was ihre Frage nach dem Überfall betraf, so hatte er sich schon die ganze letzte halbe Stunde den Kopf darüber zerbrochen, was er ihr antworten sollte. Er war sich sicher, dass Raub nicht der Grund für diesen Angriff war. Seine Stadtkutsche mit seinem Wappen auf der Tür war überall bekannt. Und die Wegelagerer hatten nicht Geld oder Juwelen gefordert, bevor
sie zu schießen anfingen.
Besonders ärgerte Thorne, dass er nicht darauf vorbereitet gewesen war und diesen mörderischen Überfall nicht vorausgesehen hatte. Doch er versuchte, keinen Zorn in der Stimme mitklingen zu lassen, als er nun Diana antwortete. „Nein, wie es scheint, war es nicht ihre
Weitere Kostenlose Bücher